Hungriger Pfleger: Klinik darf nicht sofort kündigen
KIEL (ava). Verzehrt ein in einem Krankenhaus langjährig beschäftigter und unbescholtener Arbeitnehmer ein Stück einer Patientenpizza und einen Rest Gulasch, rechtfertigt dies in aller Regel nicht dessen fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
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Ein Stück Pizza vom Teller des Patienten? Eine fristlose Kündigung eines langjährigens Krankenpflegers kann dann ohne vorherige Abmahnung unrechtmäßig sein.
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Auf diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig Holstein hat jetzt der Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte hingewiesen. Ein 56-jähriger Krankenpflegehelfer einer psychiatrischen Fachklinik war nach Anhörung des Betriebsrats ohne vorherige Abmahnung mit dem Vorwurf gekündigt worden, er habe zu Lasten der Patienten Vermögensdelikte begangen und deren besondere Schutzwürdigkeit ausgenützt.
Der Pflegehelfer erhob erfolgreich Kündigungsklage. Eine Revision der Klinik blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass es für die Prüfung eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens ankomme.
Bei den Vorwürfen des unerlaubten Verzehrs von Essensresten handele es sich allenfalls um ein geringfügiges Eigentumsdelikt. Bei einem steuerbaren Verhalten diene eine vorherige Abmahnung der Objektivierung einer negativen Zukunftsprognose.
Sie sei nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung trotz Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handele, auf Grund derer die Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen sei.
Vorliegend stelle jedoch die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine unverhältnismäßige Reaktion auf die behaupteten Pflichtverletzungen dar.
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des langjährigen ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses und des äußerst geringen Wertes der Speisen, die verzehrt worden sein sollen, habe jedenfalls auf eine Abmahnung nicht verzichtet werden können. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Az.: Sa 233/10