Weiterbildung

"In der Fläche fehlen Konzepte"

Warten auf Kammern und Politik? Wer trotz widriger Rahmenbedingungen eine gute Weiterbildung bieten will, muss auch selbst aktiv werden. Ein Trainingskonzept bietet Weiterbildern hier praktische Hilfe.

Von Prof. Michael Denkingerund Prof. Marcus Siebolds Veröffentlicht:

Kaum eine Klinik ist heute noch mit ihrer Weiterbildung, die sie den Assistenzärzten bieten kann, zufrieden. Der Klinikalltag lässt meistens nicht genügend Zeit für zusätzliche Aufgaben, wie sie die Weiterbildung eben erfordert. Dass wir uns damit aber langfristig selbst schaden, liegt auf der Hand.

Das Argument, dass es allen so geht, hilft dabei nicht weiter. Es fehlen in der Fläche Konzepte, die Weiterbilder und Assistenzärzte bezüglich der Entwicklung von Lehr- und Lernkompetenz unterstützen. In der öffentlichen Diskussion, die sich vorrangig um berufspolitische Auseinandersetzungen um strukturelle Rahmenbedingungen wie die Weiterbildungsordnungen, Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung und die Gestaltung politischer Anreizsysteme zur Überwindung des zunehmenden Ärztemangels dreht, geht dieser Bedarf völlig unter. Auch, weil man es verpasst, sich an internationalen Forschungsergebnissen zu orientieren.

Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Deutschen Internisten (BDI) ein Train-the-trainer-Projekt aufgelegt, an dem sich mit dem Berufsverband der Orthopäden und Unfallchirurgen (BVOU) mittlerweile schon der dritte Verband beteiligt.

Speziell ausgebildete Mastertrainer (alle langjährig weiterbildende Chef- oder Oberärzte) vermitteln in eintägigen Fortbildungen ein einfaches und alltagstaugliches Konzept der evidenzbasierten und strukturierten Facharztweiterbildung an interessierte Weiterbilder. Herzstück ist das Kerncurriculum, das die Weiterbilder speziell für ihre Klinik beziehungsweise ihre Abteilung erarbeiten.

Absolut notwendige Kompetenzen

Es handelt sich bei dem Kerncurriculum um eine Liste absolut notwendiger Kompetenzen, die ein Assistent braucht, um in einer Abteilung verantwortlich arbeiten zu können. Es stellt keinen verbindlichen Lernplan dar, dieser würde in der Klinik in der Regel nicht funktionieren. Es fungiert vielmehr als Kriterienliste, um zu reflektieren, wo man in einem Weiterbildungsabschnitt steht. Denn als Hauptprobleme in der Weiterbildung haben sich Unverbindlichkeit, fehlende Struktur und fehlendes Feedback herausgestellt.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Mastertraining-Konzepts ist daher die Lernstandsrückmeldung. Hierzu wird ein Fragebogen entwickelt, der vor dem Weiterbildungsgespräch im Sinne von Selbst- und Fremdeinschätzung durch Weiterbilder und Assistent – getrennt – ausgefüllt wird. Er umfasst die Kriterien des Kerncurriculums der Abteilung und die sechs Kernkompetenzen eines guten Arztes des Accreditation Council for Graduate Medical Education (ACGME). Die Bewertung erfolgt über fünf Kompetenzgrade. Diese Einschätzung dient als Grundlage des Jahresweiterbildungsgesprächs, in dem konkrete Zielvereinbarungen für die Weiterbildung für das nächste Jahr getroffen werden.

Darüber hinaus wird die regelmäßige Überprüfung des Weiterbildungsergebnisses auf der Ebene der klinischen Fertigkeiten im Rahmen von Testaten genutzt. Neben einer alltagstauglichen Struktur sind aber vor allem bestimmte Techniken für den Umgang mit den Weiterzubildenden wichtig. Unter dem Motto "Was sich übt, das prüft sich" lernen die Teilnehmer des Mastertrainings daher Modelle der Feedbackgabe zu klinischen Kompetenzen kennen.

80 Klinikärzte im Pilotprojekt

Neben dem Weiterbildungsgespräch und der Lernstandsrückmeldung trainieren sie dabei Techniken des klinischen Testats. In regelmäßigen Supervisionen besprechen angehende Mastertrainer zudem Strategien, mit den Umsetzungsproblemen vor Ort umzugehen und die gelernten Inhalte als Weiterbildungsprogramm im ärztlichen Alltag umzusetzen.

Seit Beginn im November 2013 haben 80 Chef-, Ober- und Fachärzte aus der Chirurgie, Unfallchirurgie/Orthopädie und der Inneren Medizin verschiedener deutscher und österreichischer Kliniken an dem Pilotprojekt teilgenommen.

Prof. Michael Denkinger

Alter: 41

Aktuelle Position: Ärztlicher Direktor Agaplesion Bethesda Klinik Ulm

Vorstandsmitglied beim Berufsverband Deutscher Internisten (BDI)

Prof. Marcus Siebolds

Alter: 59

Aktuelle Position: Professor im Fachbereich Gesundheitswesen der Katholischen Hochschule NRW in Köln, Lehrbereich Medizinmanagement

Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte: klinisches Management und postgraduale Arztbildung

Prof. Marcus Siebolds

Alter: 59

Aktuelle Position: Professor im Fachbereich Gesundheitswesen der Katholischen Hochschule NRW in Köln, Lehrbereich Medizinmanagement

Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte: klinisches Management und postgraduale Arztbildung

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