Intelligente Haustechnik steht vor Durchbruch

Älteren, kranken oder behinderten Menschen ein langes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen, das ist das Ziel der Initiative "Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben". 125 Millionen Euro sollen dabei helfen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Auch Telemedizin, etwa mit regelmäßiger Blutdruckkontrolle von zu Hause, ermöglicht es Patienten, länger selbstständig zu leben.

Auch Telemedizin, etwa mit regelmäßiger Blutdruckkontrolle von zu Hause, ermöglicht es Patienten, länger selbstständig zu leben.

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Insgesamt 125 Millionen Euro wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den kommenden drei Jahren für das neue Förderprogramm "Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben" bereitstellen. Ziel der zusammen mit dem Industrieverband VDE konzipierten Initiative ist die Entwicklung intelligenter Haustechnik (Ambient Assisted Living, AAL), damit ältere und kranke oder behinderte Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben können.

"In Deutschland leben derzeit 16 Millionen Menschen, die älter sind als 65 Jahre. Im Jahr 2050 werden es 23 Millionen sein", sagte Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMBF. Sein Ministerium habe sich deswegen entschlossen, regionale Verbünde zu unterstützen, in denen Sozialdienstleister, Technologieunternehmen, Anbieter medizinischer Leistungen und Unternehmen der Wohnungswirtschaft gemeinsam technische Lösungen entwickeln, die das Leben daheim im Alter sicherer und einfacher machen sollen.

Beim 2. AAL-Kongress in Berlin wurden jüngst 17 AAL-Projekte bekannt gegeben, die insgesamt 45 der 125 Millionen Euro Fördergelder der AAL-Initiative unter sich aufteilen dürfen. Die Hoffnung sei, dass die beteiligten Projektpartner sich auch finanziell engagieren, so dass für die 17 Projekte am Ende eine Gesamtfinanzierung von 200 Millionen Euro zur Verfügung stehe, sagte eine BMBF-Vertreterin. Die Schwerpunkte sind dabei durchaus unterschiedlich: Von der Erweiterung der bekannten Hausnotrufsysteme über Sicherheitstechnik bis hin zu telemedizinischen Anwendungen ist alles dabei. Ein wichtiger Schwerpunkt bei der Auswahl der Projekte waren tragfähige Geschäftsmodelle.

Das größte der 17 Projekte ist das Projekt SmartSenior, das 28 Partner vereint, darunter die Telekom, die Charité Berlin, den Autohersteller BMW sowie Krankenkassen und Wohnungsgesellschaften. "Eine Komponente ist dabei die Entwicklung eines intelligenten Notrufarmbands, das sowohl automatisch als auch auf Initiative des Trägers einen mit einer GPS-Ortung verknüpften Notruf versendet", sagte Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken. Das Armband soll den bekannten und viel genutzten Hausnotruf von Sozialorganisationen erweitern, damit er künftig unabhängig vom Aufenthaltsort funktioniert. Auch die Weiterentwicklung des Fernsehers als einfach zu bedienende Schnittstelle für Telemedizin oder für Kontakte zu Sozialdiensten ist Teil des SmartSenior-Projekts. BMW will dazu noch eine Art Notausschalter für Autos beisteuern: Passiert ein medizinischer Notfall während der Autofahrt, würde das Auto dann nicht in der Leitplanke oder im Straßengraben landen, sondern nach Art einer Einparkautomatik ohne weiteres Zutun des Fahrers bremsen, rechts ran fahren und anhalten.

Ein Armband soll künftig automatisch Notrufe versenden.

Kreativ sind auch die Projektideen anderer Antragsteller. So wird in dem Projekt SensFloor am Seniorenzentrum Höhenkirchen-Siegertsbrunn ein AAL-Fußboden entwickelt, dessen Sensoren Auskunft darüber geben, ob es dem Bewohner der Wohnung gut geht oder nicht. Im Projekt SmartAssist des Lübecker Wachunternehmens Dr. Kurt Kleinfeldt wird dagegen an einer internetbasierten Überwachung von Demenzpatienten gearbeitet, die es den pflegenden Angehörigen erlaubt, Probleme auf Distanz zu erkennen oder auch den Angehörigen ausfindig zu machen, falls dieser sich verlaufen hat.

Der Vorstandsvorsitzende des VDE, Dr. Hans Heinz Zimmer, betonte, dass dem Thema AAL in Zeiten des demographischen Wandels nicht nur eine hohe sozialmedizinische, sondern auch eine große ökonomische und gesamtwirtschaftliche Bedeutung zukomme: "Die deutschen Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind hier sehr gut aufgestellt", so Zimmer. Er gehe davon aus, dass es bereits im Jahr 2015 zu einer breiten Nutzung von AAL-Techniken in Deutschland kommen könne. Ein Marktvolumen von einer Milliarde Euro für Deutschland sei realistisch. Einsparpotenzial sieht Zimmer vor allem im Gesundheitswesen: So könnten die Kosten, die der Volkswirtschaft durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstünden, mittels telemedizinischer Heimüberwachung um 30 Prozent reduziert werden.

Umfrage: Vor allem Seniorinnen wollen Technik

Wollen Senioren überhaupt Überwachungstechnik in ihren Wohnungen haben? Ja, sagt eine Umfrage des Berliner Instituts für Sozialforschung. Befragt wurden 170 Personen in einem Durchschnittsalter von 69 Jahren. Zwei von drei Befragten waren chronisch krank. Das Ergebnis: Knapp sechzig Prozent der Seniorinnen aber nur 37 Prozent der Senioren möchten technische Systeme nutzen, wenn sie dazu beitragen, länger in den eigenen vier Wänden zu leben.

Die Akzeptanz ist dabei unterschiedlich ausgeprägt: Die automatische Sicherung der Wohnung bekommt geschlechterübergreifend eine Zustimmung von 75 Prozent. Die automatische Medizinbox, die etwa an die Medikamenteneinnahme erinnert , finden nur 57 Prozent gut. (gvg)

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