Hauptsacheverfahren
BVerfG: Impfpflicht in Kliniken und Praxen verfassungsgemäß
Das Verfassungsgericht bleibt bei seiner Linie: Der Corona-Schutz vulnerabler Gruppen hat Vorrang vor dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und der Berufsfreiheit.
Veröffentlicht:Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat die einrichtungsbezogene Impfpflicht beziehungsweise Nachweispflicht des Genesenenstatus’ nun abschließend bestätigt. Der damit verbundene Eingriff in die Grundrechte sei durch das „überragende“ Ziel gerechtfertigt, alte und kranke Menschen zu schützen. Mit dem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss bekräftigten die Karlsruher Richter nun auch im Hauptverfahren ihren Eilbeschluss vom Februar 2022.
Nach einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom Dezember 2021 dürfen seit dem 16. März 2022 in Arztpraxen sowie weiteren Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen nur noch Personen arbeiten, die gegen Covid 19 geimpft oder davon genesen sind oder die eine Unverträglichkeit gegen die Impfung nachweisen. Bei Verstößen drohen Bußgelder.
Kommentar zum Urteil des Bundesverfassungsgericht
Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Ein Widerspruch bleibt bestehen
46 Beschwerdeführer hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Februar im Eilverfahren abgewiesen. Dies haben die Karlsruher Richter nun auch im Hauptverfahren bestätigt. Im Kern sind die mit der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen damit wohl abschließend geklärt.
Auch Patienten hatten geklagt
Die im Eilverfahren noch gerügte gesetzlich verankerte Verweiskette – hinsichtlich des Immunitätsbelegs auf die Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, die wiederum auf Internetseiten des PEI und des RKI lenkt – hatte der Gesetzgeber bereits im März 2022 beseitigt.
Die Beschwerdeführenden sind überwiegend im Gesundheits- und Pflegebereich tätig. Aber auch Einrichtungsträger haben Beschwerden eingelegt, weil sie weiterhin auch Ungeimpfte beschäftigen wollen. Einige Beschwerden stammen von Patienten ungeimpfter Ärzte und Zahnärzte, die laut Gesetzeslage seit Mitte März nicht mehr behandeln dürfen.
Das Verfassungsgericht betonte, die Nachweispflicht zwinge faktisch dazu, sich impfen zu lassen. Dieser Zwang treffe vor allem Beschäftigte der Gesundheitsberufe, weil sie – anders als etwa Verwaltungsangestellte – nicht auf Arbeitgeber ausweichen können, die nicht von der Nachweispflicht betroffen sind. Der damit verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und die Berufsfreiheit sei aber gerechtfertigt und verhältnismäßig. Der Gesetzgeber verfolge „den legitimen Zweck, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen“. Dies seien Ziele „mit überragendem Stellenwert“.
Omikron ändert nichts
Gerade alte und immungeschwächte Personen trügen ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf, sprächen auf die Impfung aber weniger gut an.
Gleichzeitig gehe „eine deutliche fachwissenschaftliche Mehrheit davon aus, dass sich geimpfte und genesene Personen seltener mit dem Coronavirus infizieren und daher das Virus seltener übertragen können“. Im Fall einer Ansteckung seien sie zudem „weniger und kürzer als nicht Geimpfte infektiös“. Diese Einordnung werde Expertenmeinung zufolge durch die spätere Entwicklung und das Aufkommen der Omikronvariante „nicht erschüttert“. (mwo)
Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvR 2649/21