Beta-Thalassämie
Gentherapie: Hersteller bietet Kassen an, nur im Erfolgsfall zu erstatten
Die amerikanische Biotechcompany bluebird bio hat die erste Markteinführung ihrer Unternehmensgeschichte in Deutschland absolviert.
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Eine Gentherapie für Patienten mit transfusionsabhängiger Beta-Thalassämie hat das US-amerikanische Unternehmen bluebird bio entwickelt. Die Krankenkassen zahlen dafür nur im Erfolgsfall den vollen Preis.
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München. Wie innovationsoffen ist das deutsche Gesundheitswesen? Glaubt man dem in Cambridge bei Boston ansässigen Unternehmen bluebird bio, dann sind die Marktbedingungen hierzulande geradezu ideal.
Nachdem im Juni vorigen Jahres die europäische Arzneimittelagentur EMA mit Zynteglo™ das erste Gentherapeutikum aus der bluebird-Pipeline zugelassen hatte (gegen transfusionsabhängige Beta-Thalassämie), folgte im Januar die Einführungspremiere in Deutschland. Aus gutem Grund, wie Landeschefin Susanne Digel im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ erläutert.
Die EMA habe eine schnelle Zulassung „mit frühem Austausch über die Zulassungsstudien im Rahmen des sogenannten Priority-Medicines-Programms“ ermöglicht. „Ein solches Programm bietet die FDA so nicht.“ Hinsichtlich der Einführung habe Deutschland den Vorteil, dass bereits unmittelbar nach Zulassung die Erstattung innerhalb der Regelversorgung erfolgt.
AOKen überzeugt
Auch mit den Kostenträgern, denen bluebird ein erfolgsabhängiges Zahlungsmodell für seine 1,5 Millionen Euro teure Therapie offeriert, habe man „sehr produktive Gespräche geführt. Wir haben uns sehr früh mit den Kostenträgern in Verbindung gesetzt.“ Als erste gesetzliche Krankenkasse ließ sich die AOK Rheinland/Hamburg von dem Pay-for-Performance-Konzept überzeugen. Inzwischen hätten weitere Ortskrankenkassen nachgezogen, berichtet Geschäftsführerin Digel.
Vorgesehen ist demnach eine über vier Jahre gestaffelte Zahlung: 20 Prozent der Gesamtsumme werden bei Verabreichung fällig, ein Jahr später weitere 20 Prozent – jedoch nur, wenn die Behandlung angeschlagen hat und der Patient keine Transfusionen benötigt.
Danach werde der Endpunkt „Transfusionsfreiheit“ jeweils alle 12 Monate erneut überprüft. Nur bei anhaltendem Therapieerfolg seien jeweils die dritte, vierte und fünfte Rate zu begleichen.
Wie Diegel versichert, „haben in den klinischen Studien sämtliche Patienten, die Transfusionsfreiheit erreicht haben, diese auch beibehalten – also über den vorgesehenen Zahlungskorridor hinaus.“ Digel schätzt die Anzahl der für die Gentherapie infrage kommenden Patienten in Deutschland auf „deutlich weniger“ als hundert.
Bei dem Verfahren wird ein intaktes, Hämoglobin produzierendes Gen ex vivo in die Blutstammzellen des Patienten eingeschleust, die ihm anschließend reinfundiert werden. Der gesamte Prozess könne drei bis vier Monate in Anspruch nehmen. Als erstes Behandlungszentrum hatte sich kürzlich die Heidelberger Universitätsklinik qualifiziert.
Das Unternehmen arbeitet derzeit an etlichen weiteren neuartigen Gen- und Zelltherapien, Indikationen sind unter anderem zerebrale Adrenoleukodystrophie, Sichelzellkrankheit oder multiples Myelom. „Mit dem für Zynteglo™ gewählten Pay-for-Performance-Ansatz wollen wir eine solide Basis für weitere einmalige Gentherapien mit potenziell lebenslanger Wirkung schaffen“, betont Digel
Mit BMS an CAR-T-Therapie
Die an der US-Techbörse Nasdaq notierte Gesellschaft wurde 1992 als Genetix Pharmaceuticals gegründet. 2010 erfolgte die Umbenennung. 2018 – jüngere Zahlen sind noch nicht verfügbar - wurden knapp 556 Millionen Dollar Verlust ausgewiesen, bei Barreserven von 1,9 Milliarden Dollar. Die Börsenkapitalisierung beträgt aktuell rund 4,6 Milliarden Euro.
Entwicklungskooperationen unterhält bluebird unter anderem mit Regeneron, Medigene, Novo Nordisk oder in der Nachfolge Celgenes jetzt mit Bristol-Myers Squibb. Zusammen mit letzteren wird an einer CAR-T-Therapie („bb2121“) gegen multiples Myelom gearbeitet, ein erster Zulassungsantrag soll früheren Angaben zufolge voraussichtlich im 1. Halbjahr 2020 eingereicht werden. (cw)