Folgen des Ukrainekrieges

Krankenhäuser fordern Koordinierung von Flüchtlingsversorgung

Täglich kommen mehr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland, viele davon brauchen gesundheitliche Betreuung. Die Krankenhäuser warnen indessen vor Überlastung - auch wegen des Endes der Corona-Maßnahmen.

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Dr. Natalie Wöhrle, Radiologin (M), spricht in der Lungenklinik Gauting mit einer Mutter und deren Tochter, die aus der Stadt Charkiw in der Ukraine geflüchtet sind. In der Klinik wurde an diesem Tag bei zahlreichen aus der Ukraine Geflüchteten ein Tuberkulose-Screening durchgeführt.

Dr. Natalie Wöhrle, Radiologin (M), spricht in der Lungenklinik Gauting mit einer Mutter und deren Tochter, die aus der Stadt Charkiw in der Ukraine geflüchtet sind. In der Klinik wurde an diesem Tag bei zahlreichen aus der Ukraine Geflüchteten ein Tuberkulose-Screening durchgeführt.

© Matthias Balk / dpa / picture alliance

Bonn. An diesem Wochenende wird wohl wieder eine Marke fallen: 200.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind dann nach Zahlen des Bundesinnenministeriums in Deutschland eingetroffen. Die tatsächliche Zahl könne aber höher liegen, da Ukrainer aufgrund des Visumsabkommens ohne Registrierung einreisen könnten und an den Grenzen keine lückenlosen Kontrollen stattfänden, so die Bundespolizei.

Derzeit gibt es bereits die ersten Streitigkeiten um die Verteilung und Unterbringung der Flüchtlinge. Sie sollen laut Regierung nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden. Ein Fragezeichen steht aber zumindest noch dahinter, wer die Kosten dafür trägt. Die Kommunen fordern mehr Unterstützung vom Bund. Der will nach eigenen Angaben zumindest „eine stark koordinierende Funktion“ übernehmen. Eine Überforderung, wie sie in Folge der Flüchtlingskrise 2015 eintrat, soll vermieden werden.

Genaue Regelungen für die Kliniken fehlen

Derweil plagen den Gesundheitssektor ob der veränderten Situation ganz eigene Sorgen. So weisen die Krankenhäuser darauf hin, dass noch unbedingt geklärt werden müsse, wie die Kliniken die ukrainischen Patienten ohne viel Bürokratie, aber rechtssicher behandeln und die Leistungen abrechnen könnten. Angesichts der voraussichtlich steigenden Zahlen an Flüchtlingen und möglicherweise auch Kriegsverletzten sei man „derzeit nicht so aufgestellt, wie wir es sein müssten“, sagte jüngst der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Entsprechende Beschlüsse der Bund-Länder-Runde fehlten noch, so die Kritik.

Tatsächlich lägen noch keine sicheren Zahlen vor, wie viele ukrainische Flüchtlinge derzeit bereits in den Krankenhäusern behandelt würden, erklärte die DKG auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Doch wird eine hohe Belastung der Kliniken befürchtet.

Doppelbelastung durch Corona und Krigesflüchtlinge

Dies sei nicht zuletzt auch auf die pandemische Lage zurückzuführen: Trotz nach wie vor hoher Inzidenzwerte haben Bund und Länder im neuen Infektionsschutzgesetz beschlossen, die Corona-Maßnahmen ab Sonntag weitgehend aufzuheben. Lediglich an der Maskenpflicht wird weiterhin größtenteils festgehalten.

Die DKG warnt nun vor einer Doppelbelastung durch Corona und Flüchtlinge. Dazu kommt: Rund 90 Prozent der Krankenhäuser hätten aktuell höhere krankheitsbedingte Personalausfälle in ihren patientennahen Bereichen als sonst um diese Jahreszeit üblich. „Uns droht an diesem Wochenende ein böses Erwachen, wenn die Politik nicht aufwacht“, prophezeit Gaß.

Erschwerend kommt dabei auch die niedrige Impfrate in der Ukraine hinzu. Nur rund 36 Prozent der Bevölkerung sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft, darunter auch solche, die mit den in der EU nicht zugelassenen Impfstoffen des russischen Herstellers Sputnik V oder dem chinesischen Sinovac geimpft sind. Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt deswegen, allen Flüchtlingen aus der Ukraine frühzeitig alle Impfungen mit EU-lizensierten Vakzinen anzubieten.

Viele Ukrainer haben einen niedrigen Impfstatus

Doch ist nicht nur Corona hier ein Problem: Laut Angaben von RKI und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (EDCD) ist der Impfstatus der Ukrainer bei zahlreichen Infektionskrankheiten insbesondere im Kindesalter geringer als in der EU. So bereiten sich die Kinderkliniken etwa auf einen Anstieg von Masern- und Windpockenpatienten vor; beide Krankheiten sind in Deutschland durch Impfempfehlungen inzwischen auf wenige Tausend Fälle im Jahr zurückgegangen.

Dennoch empfiehlt das RKI, auch für Kinder ab fünf Jahren noch die COVID-19-Impfung als prioritär zu behandeln. In der aktuellen epidemiologischen Situation sei davon auszugehen, „dass in Deutschland das Infektionsrisiko für SARS-CoV-2 deutlich höher ist als für Masern“, heißt es dazu.

Die Impfungen sollen entweder nach Möglichkeit bereits in den Flüchtlingsunterkünften oder von niedergelassenen Medizinern vorgenommen werden. Die Krankenhäuser seien dafür zwar nicht die erste Anlaufstelle, „werden aber nach ihren Möglichkeiten immer an einer möglichst hohen Impfquote mitwirken“, so die DKG. Den Ansturm nun aufzufangen, sind sie jedoch an vorderster Front. (KNA)

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