„Muss von Bevölkerung mitgetragen werden“
Krankenhausreform: Kliniken in Hessen stellen sich auf Konzentration des Angebots ein
Bisher stehen von der geplanten Klinikreform nur die Eckpunkte. Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass Reformbedarf besteht, auch in Hessen. Die Hessische Krankenhausgesellschaft etwa warnt aber, dass auch für größere Kliniken Probleme entstehen könnten.
Veröffentlicht:Frankfurt/Main. Die geplante Krankenhausreform wird die Kliniklandschaft in Hessen verändern, so viel steht fest. Ob das Ziel der Reform, den chronischen Finanzdruck aus dem System zu nehmen und zugleich die Qualität verbessern, erreicht werden kann, wird derzeit viel diskutiert. Größere Kliniken sehen die Reform eher positiv, kleinere sind skeptischer oder fürchten gar ums Überleben.
Der Klinikverbund Hessen vertritt die Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft. Auch dessen Geschäftsführer Reinhard Schaffert hält die Reform für notwendig. Die Einteilung in Leistungsgruppen werde zu einer „gewünschten Konzentration komplexer Leistungen an geeigneten und entsprechend ausgestatteten Krankenhäusern“ führen – das sei „sicher sinnvoll“, sagte er der dpa.
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Einige Krankenhäuser würden durch die Reform besser gestellt, andere schlechter, die konkreten Auswirkungen für einzelne Häuser seien derzeit noch nicht absehbar. Patienten werden die Reform auf jeden Fall zu spüren bekommen: „Nicht mehr alle gewohnten Leistungen stehen in allen Krankenhäusern vor Ort zur Verfügung. Dies ist aus Qualitätsgesichtspunkten teilweise sinnvoll, muss jedoch auch von der Bevölkerung mitgetragen werden.“
Weniger kleine Häuser, Überlastung für große Kliniken?
Die Hessische Krankenhausgesellschaft befürchtet, dass kleinere und mittlere Krankenhäuser „wirtschaftlich auf Dauer nicht überleben könnten“, wie Geschäftsführer Professor Steffen Gramminger der dpa sagte. „Große Krankenhäuser würden dann durch viele leichtere Fälle schnell überlastet und die Kapazitäten für die komplexen Fälle blockiert.“ Wegen des eingeschränkten Angebots dort könnten kleinere Krankenhäuser zudem für Fachpersonal unattraktiv werden.
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Auch Gramminger findet eine Spezialisierung der Kliniken und eine Zentralisierung bei hochkomplexen Behandlungen prinzipiell nicht schlecht. Das Leistungsangebot der einzelnen Krankenhäuser müsse aber „ausgewogen und an den Bedarf angepasst“ sein. Und: „Die Grund- und Notfallversorgung muss in jeder Region gesichert sein.“
„Nicht jeder darf anbieten, was er will“
Der Ärztliche Direktor des Frankfurter Universitätsklinikums, Professor Jürgen Graf, gehört zu den Befürwortern der Reform. Sie bietet seiner Meinung nach die Chance, Fehlanreize im System zu korrigieren. Manche Bereiche der Krankenversorgung seien lukrativ, etwa die Versorgung von Herz-Kreislaufpatienten – hier gebe es oft ein Überangebot. Andere Bereiche seien prinzipiell defizitär, zum Beispiel die Pädiatrie – hier gebe es Engpässe. Das Angebot sollte sich aber am medizinischen Bedarf orientieren: „Nicht jeder darf anbieten, was er will. Und nicht jeder darf sich aussuchen, was er kriegt. Aber jeder muss bekommen, was er braucht“, findet Graf.
Thomas Busse: müssen größer denken
Der Frankfurter Gesundheitsökonom Professor Thomas Busse war bis vor kurzem Direktor des Zentrums für Gesundheitswirtschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences. Er findet in den Plänen „viele sinnvolle Ansätze“, fürchtet aber, dass sie erneut den Lobbyistinnen und Lobbyisten zum Opfer fallen. Um einen echten Durchbruch zu erreichen, müsse man noch größer denken, so Busse. Das Krankenhauswesen werde immer noch in alten Strukturen gedacht: „Bei der Krankenhaus- und Versorgungsplanung spielen weiterhin Ländergrenzen eine zu große Rolle.“ (dpa/lhe)