Grippewelle

Mehrarbeit, aber kein Geld?

Die jüngste Grippewelle hat den Praxen deutlich mehr Patienten beschert. Allein in Nordrhein verzeichnen die Hausärzte zehn bis 15 Prozent mehr Fälle. Bloß hinter der Vergütung steht ein Fragezeichen. Eine Ungerechtigkeit des Systems?

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Hatschi! Die Grippewelle bescherte den Ärzten jede Menge Arbeit.

Hatschi! Die Grippewelle bescherte den Ärzten jede Menge Arbeit.

© Rynio Productions/fotolia.com

KÖLN. Die Grippewelle von Anfang des Jahres führt nach Ansicht des Hausarztes Dr. Peter Burbach die Unsinnigkeit der aktuellen Vergütungssystematik gut vor Augen.

Die niedergelassenen Ärzte mussten im ersten Quartal eine deutliche Mehrarbeit leisten, bezahlt bekommen sie diese aber frühestens im kommenden Jahr - und das ist auch nicht für jeden sicher.

"Wir Hausärzte hatten zehn bis 15 Prozent höhere Fallzahlen im ersten Quartal 2013", sagt Burbach, der im niederrheinischen Grevenbroich in einer Gemeinschaftspraxis arbeitet. Die damit verbundenen Mehrleistungen fänden in der Vergütung aber keinen Niederschlag.

Der Hausarzt bezweifelt, dass der Aufwand im kommenden Jahr voll abgebildet wird. "Von dem eventuell zusätzlich zur Verteilung stehenden Geld profitieren diejenigen mit den meisten Scheinen und nicht diejenigen, die die meiste Arbeit hatten", sagt er.

In einem offenen Brief hat er den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) Bernhard Brautmeier um Aufklärung gebeten, was die KV gegen den Missstand zu tun gedenkt.

Für Burbach ist klar: Die Kassen müssen die durch die zusätzliche Morbidität notwendigen Mehrleistungen jetzt bezahlen. "So billig wie bei uns erhalten die Krankenkassen ohnehin in keinem anderen westeuropäischen Land hausärztliche Leistungen", betont er.

Einen direkten Nachschlag wird es nach Angaben von KVNo-Vorstand Brautmeier kaum geben. Zwar hat der Bewertungsausschuss für den "nicht vorhersehbaren Anstieg des Behandlungsbedarfs aufgrund eines überproportionalen Anstiegs von akuten Erkrankungen" einen Beschluss gefasst.

KV-Vorstand kann Ärger nachvollziehen

Danach fällt eine Entscheidung über den Umgang mit einem solchen Anstieg im Jahr 2013 aber erst Ende August 2015. "Wir haben keine Chance, kurzfristig einen Ausgleich für die Mehrbelastung im ersten Quartal 2013 zu erreichen", sagt Brautmeier.

Er kann den Ärger von Burbach nachvollziehen. Viele Hausärzte hätten die KV auf die deutlich höheren Fallzahlen im ersten Quartal hingewiesen.

Wie groß der Zuwachs KVNo-weit genau war, weiß die KV in rund einem Monat. Wenn auch die Vergütung im laufenden Jahr unverändert bleibt, werden die Ärzte im kommenden Jahr aber von höheren Regelleistungsvolumina (RLV) profitieren.

Zwar könne der Fallwert im ersten Quartal 2014 wegen der höheren Fallzahlen aus 2013 etwas niedriger ausfallen, das RLV werde aber insgesamt um die mit den Kassen vereinbarte Steigerung erhöht, erläutert Brautmeier. Außerdem hätten die Ärzte die Möglichkeit, RLV und qualitätsgebundene Zusatzvolumina aufzurechnen.

Auch nach Einschätzung von Dr. Dirk Mecking, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein, zeigt das Beispiel der Grippewelle die Unlogik des Vergütungssystems. "Wenn wir das Geld für die Versorgung brauchen, steht es nicht zur Verfügung."

Er wisse allerdings auch nicht, wie genau solche Effekte zeitnah in das Honorar einfließen können, räumt Mecking ein. Es sei wichtig, die Krankenkassen immer wieder auf solche Ungerechtigkeiten hinzuweisen.

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Kommentare
Dr. Michael D. Lütgemeier 21.05.201308:50 Uhr

Soso, der Vorstand kann den Ärger nachvollziehen ....

Wie wäre es denn, wenn der Vorstand mal in Amtshaftung und private Haftung gehen würde? Für michist die Sache sehr einfach: Kein Geld, KEINE LEISTUNG. Jedenfalls nicht auf Kasse. Die Ärzte sind einfach unfähig Fórderungen durchzusetzen- die (faktische) Umsonstarbeit sollte verboten und die Anleitung hierzu unter Strafe gestellt werden.

Dr. Gerhard Heinsch 21.05.201307:41 Uhr

Flatratemedizin auf Wunsch der Bundes-KV

Die Grippewelle hat den Hausärzten unzweifelhaft Mehrarbeit im Sinne von deutlich mehr Patientenkontakten gebracht. Nicht nur die Fallzahlen sind angestiegen, sondern auch die Mehrfachkontakte mit den einzelnen Patienten (bis zu 6,7,8,10x im "Grippequartal") sind sprunghaft gestiegen.

Selbst ein Erfassen der Fallzahlen ergibt hier kein realistisches Bild und dieses scheint auch ganz im Sinne unserer Vertreter , insbesondere der Bundes-KV , zu sein.

Auf meine Anfrage hin, wie denn der Leistungsnachweis der Hausärzte im kommenden Hausärzte-EBM abgebildete werden soll, wenn es keine Möglichkeit der Dokumentation der Arzt/Patientenkontakte durch eine dafür vorgesehene Abrechnungsziffer gibt, bekam ich lediglich die Antwort, dass das so von der Vertretervollversammlung beschlossen sei.

Offensichtlich ist die Erfassung des tatsächlichen Aufwandes zum Nachweis für die Krankenkassen nicht unbedingt erwünscht, so dass die Hausärzte brav weiter im Rahmen der Flatrate die Patientenversorgung sicherstellen.

Ich kann den Kollegen nur empfehlen bis zum 25.5.2013 schnellsten hier noch einmal Anfragen an die KVen und KBV im Vorfeld der Beschlussfassung des "Hausärzte-EBM" zu stellen (am 25.5.13 findet die beschlussfassende Sitzung der Bundes-KV statt).

Weiterhin frohes Schaffen an alle Kollegen,

Dr.med.G.Heinsch
Hausärztlich tätiger Internist

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