Nordrhein-Westfalen

Nach Zyto-Skandal: Apotheker sollen stärker überwacht werden

Nach der Anklage gegen einen Bottroper Apotheker, der verdächtigt wird, Zytostatika gepanscht zu haben, wird nun auch die Gesundheitsaufsicht in NRW tätig.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zieht Konsequenzen aus dem Skandal um einen Apotheker aus Bottrop, der Krebsmedikamente zu niedrig dosiert oder ganz ohne Wirkstoff abgegeben haben soll. Nach einem Erlass des Ministers sollen Apotheken, die Zytostatika herstellen, künftig stärker überwacht werden.

Der Erlass an die für die Apothekenüberwachung zuständigen Kreise und Städte regelt die Bedingungen für die amtliche Probenentnahme und -untersuchung in Apotheken und legt die Kriterien für unangemeldete Inspektionen fest.

Die "in einem separaten Reinraum herzustellenden sterilen Infusionsarzneimittel zur medikamentösen Krebstherapie" sollen einer noch intensiveren amtlichen Überwachung zugeführt werden.

Der Bottroper Apotheker sitzt seit Ende November 2016 in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Essen hat im Juli Klage beim Landgericht Essen eingereicht. Sie wirft dem Mann insgesamt 61.980 Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz vor.

56-Millionen-Betrug?

Zudem soll er die gesetzlichen Krankenkassen um 56 Millionen Euro betrogen haben, indem er die minderwertigen Präparate so abgerechnet hatte, als hätten sie die volle Wirkstoffmenge enthalten – so zumindest lautet der Vorwurf.

Laut Staatsanwaltschaft wurden in den vergangenen fünf Jahren 3700 Krebskranke Opfer der mutmaßlichen Machenschaften, vor allem in Nordrhein-Westfalen, aber auch in fünf weiteren Bundesländern. 37 Arztpraxen und Kliniken sollen mit den gepanschten Zytostatika beliefert worden sein.

Nach einem Bericht der ARD und des Recherchenetzwerks Correctiv liegt die Zahl der betroffenen Patienten noch deutlich höher. Seit 2005 sollen über 7300 Menschen von dem Apotheker mit den 49 Wirkstoffen versorgt worden sein, bei denen der Verdacht auf eine Unterdosierung besteht.

Der Fall hatte für eine massive Verunsicherung von Krebspatienten in der Region geführt. Viele wissen nicht, ob sie Opfer der Fehldosierungen geworden sind. Gesundheitsminister Laumann sieht hier die Ärzte und Krankenhäuser in der Pflicht. Sie müssten die Patienten informieren, fordert er.

Gesundheitsamt mit Extra-Hotline

Bereits im vergangenen Jahr hatte seine Vorgängerin Barbara Steffens (Grüne) verunsicherte Patienten aufgefordert, sich an ihre Ärzte zu wenden. Damals hatte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Dr. Wolfgang-Axel Dryden, betont, dass es für viele Ärzte schwer sei zu prüfen, wer ein unterdosiertes Medikament erhalten und welchen Einfluss das auf den jeweiligen Krankheitsverlauf gehabt habe.

Das Bottroper Gesundheitsamt hat zu dem Thema eine spezielle Telefon-Hotline eingerichtet.

Als Konsequenz aus den Vorgängen plant die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) die Einrichtung eines runden Tischs unter Beteiligung von Vertretern der Apothekerschaft, des Ministeriums, der Gesundheitsämter und des Verbands der Zytostatika herstellenden Apotheken.

"Wir wollen gemeinsam beleuchten, wie man die Wiederholung eines solchen Geschehens verhindern kann", sagte AKWL-Sprecher Michael Schmitz der "Ärzte Zeitung". "Man muss sehen, wo Sicherheitslücken sind, die geschlossen werden können."

Schmitz begrüßt die Initiative Laumanns, die Zytostatika herstellenden Apotheken künftig intensiver zu kontrollieren. "Es wäre fatal, wenn aus diesem Fall keine Konsequenzen gezogen würden und man zur Tagesordnung übergehen würde".

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