Bundesweite Kampagne für Pflegeberuf
Nach der Arbeit im Schockraum geht es für Malte Wenzel zum Football
Arbeiten in der Notfallambulanz ist für Malte Wenzel kein Horror, sondern ein Traumjob. Der 30-Jährige gehört zu den Gesichtern, mit denen in einer Kampagne Werbung für den Pflegeberuf gemacht wird.
Veröffentlicht:Lüneburg. Seit zehn Jahren arbeitet Malte Wenzel in der Notfallambulanz des Klinikums Lüneburg im Drei-Schichten-System. Die Belastung ist hoch, trotzdem kann er sich keine andere Arbeit vorstellen. „Ich lebe für die Notfallmedizin, das ist mein Traumjob“, sagt der 30-Jährige.
„Es ist ein schöner Beruf, aber er ist mit harter körperlicher Arbeit und Stress verbunden“, erzählt der Fachkrankenpfleger zwischen fast minütlich neu eintreffenden Akut-Patienten. Wenn andere hektisch werden, bleibt er ruhig. Und freut sich, wenn er mit seinem medizinischen Wissen weiterhelfen kann: „Das ergibt Sinn, auch wenn ich ein Feedback vom Patienten bekomme“.
Vor ein paar Jahren waren sieben Nachtschichten am Stück noch kein Problem für ihn. „Jetzt reichen mir drei, das ist ruhiger, denn ich brauche meinen Schlaf. Ich stecke die Schichtwechsel schlechter weg, regeneriere nicht mehr so gut“, berichtet Wenzel. Trotz des Frusts über die generellen Rahmenbedingungen, zu wenige Kräfte auf einer Station und Anerkennung eher mit Worten als im Portemonnaie, will Wenzel genau das weitermachen und wirbt sogar bundesweit für den Job.
American Football zum Abschalten
Als einer von vier Pflegekräften in Deutschland wurde er für die Kampagne „Pflege kann was“ ausgewählt. Ein Kriterium des Bundesfamilienministeriums war dabei, dass Bewerber oder Bewerberinnen einem spannenden Hobby nachgehen.
Auf YouTube erzählt Wenzel von seinem Werdegang. In seiner Freizeit spielt er bei den „Lüneburg Razorbacks“ American Football. Ebenso wie im Krankenhaus ist auf dem Rasen Teamwork die Bedingung für das erfolgreiche Zusammenspiel.
Unter Druck schnell entscheiden
„Man muss einen kühlen Kopf bewahren und schnell entscheiden“, sagt das Pflegetalent über Hobby und Arbeit. Der Sport helfe ihm, sich auszupowern und den Kopf freizubekommen. Nicht immer sei es leicht, die schwierigen Fälle wegzustecken, manches Mal stirbt auch ein Patient in seiner Schicht.
„Die Verarbeitungszeit von Leben und Tod ist hier schnell, oft wartet der Nächste, der Hilfe braucht.“ Umso wichtiger sei es, mit Kolleginnen und Kollegen noch einmal das Erlebte zu verarbeiten.
Negatives Image der Pflege bekämpfen
„Malte schafft es ganz elegant, das Brennen für seinen Beruf komplett rüberzubringen“, sagt Pflegedirektor Patrick Evel. 750 Pflegekräfte arbeiten am Klinikum in der Hansestadt, 50 davon rund um die Uhr in der Notaufnahme. Und weil der Markt für Fachpersonal leer gefegt ist, geht die angeschlossene Berufsfachschule neue Wege beim Anwerben von jungen Kräften.
„Wir haben vor eineinhalb Jahren das Projekt Schichtwechsel gestartet, holen Schüler auf unsere Stationen“, erzählt Evel. Es reiche nicht, die negative Berichterstattung des Pflegeumfeldes nur mit Posts auf Social Media auszugleichen. Stattdessen fange man schon bei jungen Schülerinnen und Schülern an, sie aktiv einzuladen. „Die Notaufnahme und der Hubschrauberlandeplatz sind die Highlights für die jungen Menschen.“
Interessenten für den Beruf zwischen 14 und 18 Jahren werden besonders betreut. Sie dürfen an einem Nachmittag Freunde oder Eltern mitbringen, werden mit Popcorn und Cola in Kinosaal-Atmosphäre empfangen und bekommen vor allem eines vermittelt: Neben Waschen und Pflegen gehören auch viele medizinische Tätigkeiten und Eigenverantwortung zum Alltag in der Pflege. Die Folge der Kampagne: eine Auszeichnung des Bundeswirtschaftsministeriums und ein Run auf die Ausbildungsplätze.
iPad zum Start
Während sich im vergangenen Jahr nur 40 junge Leute auf 48 Plätze bewarben, sind es nun 70. Alle wurden genommen und bekamen sofort ein iPad gestellt. Nicht alle Auszubildenden werden bleiben, aber immerhin ist eigener Nachwuchs in Sicht.
Malte Wenzel hat festgestellt, dass junge Menschen öfter eine Stelle wechseln als noch vor Jahren. Das ist für ihn unvorstellbar: Schon seine Mutter arbeitete in der Radiologie, nach Schulschluss war er ein gern gesehener Gast in der Klinik und begeisterte sich für den Stationsbetrieb. „Ich habe das in die Wiege gelegt bekommen“, sagt er, schränkt aber ein: „Ob ich das bis zur Rente schaffe, weiß ich nicht.“ (dpa)