Arztkarriere
Österreich sucht händeringend ärztlichen Nachwuchs
„Feuer am Dach“ – so betitelte die Österreichische Ärztekammer ihre Pressemitteilung zur Ärztestatistik 2020. Angesichts der anstehenden Pensionswelle steht die ärztliche Nachwuchsgewinnung im Fokus. Ohne Ärzte aus dem Ausland geht es schon mal gar nicht mehr.
Veröffentlicht:Wien. Fachärzte aller Disziplinen mit einer in Deutschland erlangten Approbation haben gute Chancen, wenn sie Teile ihrer beruflichen Karriere zum Beispiel in einem Spital in Österreich absolvieren wollen. Das belegt nicht zuletzt die jüngst von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) veröffentlichte Ärztestatistik für das vergangene Jahr. Demnach waren zum Stichtag 31. Dezember 2020 insgesamt 47.674 Ärzte in Österreich in der Versorgung tätig. Da immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit arbeiten möchten, waren es in Vollzeitäquivalente (VZÄ) umgerechnet gar nur 40.354 Medizinerinnen und Mediziner.
Wird die Kopfzahl von 47.674 Ärzte heruntergebrochen auf die einzelnen Segmente, so zeigt sich, dass sich darunter allein 7979 Turnusärzte – Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin– und 13.138 Allgemeinmediziner befinden sowie 26.415 Fachärzte.
Demografie verschärft die Situation
Die restlichen 142 Mediziner mit dem Status „approbierter Arzt“ spielen für die Versorgung so gut wie keine Rolle – bei ihnen handelt es sich um Ärzte, die zu einem früheren Zeitpunkt und einer anderen EU-Rechtslage außerhalb Österreichs eine medizinische Ausbildung ohne Erwerb des Doktorgrades abgeschlossen haben und erst dann in der Kassenversorgung tätig sein dürfen, wenn sie in Österreich eine Facharztweiterbildung absolvieren. Laut ÖÄK lag der Frauenanteil unter den Medizinern in Österreich im vergangenen Jahr bei 48,5 Prozent.
Besonders besorgt zeigt sich die ÖÄK mit Blick auf die Demografie: In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich vor allem der Anteil der Über-55-Jährigen beträchtlich vergrößert: 32,2 Prozent der Gesamtärzteschaft sind über 55 Jahre alt. Zwanzig Jahre zuvor lag der Anteil noch bei 17 Prozent. Zwar waren in den 1970er Jahren ebenfalls viele Ärzte über 50 Jahre, aber gleichzeitig war der Anteil der Unter-35-jährigen Ärzten auch deutlich höher als 2020. Dieser Wert ist laut ÖÄK in den vergangenen zwanzig Jahren beinahe konstant geblieben.
„Feuer am Dach“ – so bezeichnete die Kammer ihre Pressemitteilung zur 2020er-Ärztestatistik: Denn die Über-55-Jährigen erreichen in den nächsten zehn Jahren das Regelpensionsalter oder werden es überschreiten. „Aus den 15.362 Ärzten, die in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter von 65 Jahren überschreiten werden, ergibt sich ein jährlicher Nachbesetzungsbedarf von 1536 pro Jahr, allein um eine Aufrechterhaltung des Status quo der Kopfzahl zu gewährleisten“, heißt es von ÖÄK-Seite.
Dabei seien die VZÄ noch nicht berücksichtigt – eine solche Zahl wäre erwartungsgemäß noch höher. Ebenso sei nicht abgebildet, dass etwa Frauen typischerweise sogar noch früher das Pensionsalter erreichten und der Versorgungsbedarf in der Bevölkerung aufgrund des Demografiewandels und des medizinischen Fortschrittes weiter steigen werde.
Junge Ärzte zieht es teils ins Ausland
Die Altersstruktur der österreichischen Ärzteschaft zeige das Problem, vor dem das Gesundheitssystem in Österreich stehe. „Es gibt ein eklatantes Nachwuchsproblem, das man jetzt angehen muss, bevor es zu spät ist“, mahnt ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres. Der Nachwuchs reiche für den errechneten Nachbesetzungsbedarf nicht aus, ergänzt er. Erschwerend hinzu komme auch noch die Bereitschaft vieler junger Ärzte, nach dem Studium in Österreich ihrer Heimat erst mal den Rücken zu kehren. „Nachbarländer wie Deutschland und die Schweiz locken mit attraktiven Angeboten, wenn da unsere Spitäler nicht mithalten, dann verlieren wir noch mehr junge Ärzte“, prophezeit Szekeres.
Sein Fazit: Junge Ärzte sind gefragt wie nie – im In- und im Ausland. Die Folge: „Die Spitäler als Arbeitgeber stehen unter einem großen Flexibilisierungsdruck, das ist kein Vergleich zu früher, als angehende Ärzte froh um einen Arbeitsplatz waren und dafür vieles erduldet haben“, appelliert Szekeres an die Spitäler, zu handeln.