Pandemiemanagement in den USA
Präsident Biden schmiedet Industrie-Allianz für Corona-Impfstoff
Der Pharmariese Merck & Co blieb mit eigenen Impfprojekten gegen COVID-19 bislang glücklos. Nun hilft er bei der industriellen Produktion der Einmal-Vakzine von Janssen.
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Zentrale der Merck & Co. in Kenilworth, New Jersey. Die Ursprünge des zu den globalen Top Ten zählenden Konzerns reichen bis nach Hessen zurück. 1917 wurde die einstige US-Tochter der Darmstädter Merck vom Staat konfisziert und ist seither eigenständig.
© Merck Media Studio
Washington. Nachdem am Wochenende die US-Oberbehörde FDA dem inzwischen dritten Corona-Impfstoff, der vektorbasierten DNA-Vakzine („Ad26.COV2.S“) von Johnson & Johnson eine Notfallzulassung erteilt hat, erhöht US-Präsident Biden in Sachen Impfung das Tempo. Bis Ende Mai soll genügend Impfstoff für alle erwachsenen US-Bürger verfügbar sein, kündigte der Präsident am Dienstag an. Zuvor hatte Biden das erst für Ende Juli avisiert.
Zur Beschleunigung der Produktion beitragen soll auch eine Kooperation zwischen Janssen, der Pharmatochter Johnson & Johnsons, und Merck & Co (in Europa MSD). Laut Mitteilung der US-Behörde BARDA hat die Biden-Administration auf Grundlage des „Defense Production Act“ am Zustandekommen der Allianz entscheidend mitgewirkt. Danach soll Merck mit Unterstützung des Gesundheitsministeriums zwei seiner Produktionsanlagen auf die industrielle Fertigung der Janssen-Vakzine umrüsten. Merck werde sämtliche Produktionsschritte übernehmen, heißt es, von der Herstellung des Wirkstoffs über die Formulierung bis zur Abfüllung.
US-Kapazität verdoppelt
Langfristig werde diese Allianz dazu beitragen, die inländischen Produktionskapazitäten der Janssen-Vakzine zu verdoppeln. Wie die „New York Times“ unter Berufung auf Regierungsbeamte meldet, könnte das bereits bis Jahresende der Fall sein. Wie lange die Umrüstung der Merck-Fabriken dauern werde, sei allerdings noch ungewiss.
Die BARDA wird ihrer Mitteilung zufolge den Umbau anfangs mit 105 Millionen Dollar finanzieren. Insgesamt kann Merck für die Impfstoffproduktion im Regierungsauftrag nach eigenen Angaben bis zu 268,8 Millionen Dollar aus dem Etat des Gesundheitsministeriums erwarten. Anders als Janssen, die bisher keine Erfahrung mit Vakzinen haben, zählt Merck mit knapp 8,0 Milliarden Dollar Impfstoffumsatz (in 2020) zu den weltweit wichtigsten Playern im Präventionsgeschäft. Mitte Januar hatte der Konzern die Arbeiten an zwei eigenen Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2 nach enttäuschenden Phase-1-Studien eingestellt.
Wie die BARDA außerdem mitteilt, will Präsident Biden mittels des Defense Production Act dafür sorgen, dass kein Mangel an den zur Fertigung des Janssen-Impfstoffs benötigten Geräten und Materialien entsteht. Das Verteidigungsministerium sei angewiesen, Janssen bei der Beschaffung logistisch zu unterstützen.
Mehr oder weniger sanfter Druck
Der Defense Production Act stammt aus der Zeit des Koreakrieges. Das Gesetz ermächtigt die US-Regierung, in Krisen- oder Konfliktfällen steuernd in die Privatwirtschaft einzugreifen. Inwieweit Merck zu der Zusammenarbeit mit Janssen administrativ gezwungen werden musste, ist unklar. Merck selbst spricht von „Vereinbarungen“, die man eingegangen sei, um dem Wettbewerber zu helfen.
Janssens COVID-19-Impfstoff muss nur einmal gespritzt werden. Laut Hersteller ist er zwei Jahre lang bei -20 Grad haltbar sowie maximal drei Monate bei Kühlschranktemperaturen zwischen zwei und acht Grad. Bis Sommer will Janssen 100 Millionen Dosen im Heimatmarkt ausliefern. Die EU hat 200 Millionen Dosen vorbestellt und eine Option auf weitere 200 Millionen. Mit einer Zulassungsentscheidung der europäischen Arzneimittelagentur EMA wird Mitte März gerechnet.
Erst kürzlich ließ Sanofi wissen, sich an Janssens europäischer Impfstoffproduktion zu beteiligen und am Standort Lyon Formulierungs- und Abfülltätigkeiten zu besorgen. Johnson & Johnson hat erklärt, seinen Impfstoff zum Selbstkostenpreis („not-for-profit“) abzugeben.