Prävention - Aufgabe auch der Privatmedizin
In der Politik wird über den Sinn eines Präventionsgesetzes gestritten. Gleichzeitig füllen Ärzte den Begriff Prävention jeden Tag mit Leben - und loten dabei die Grenze zwischen Privatmedizin und Kassenmedizin aus.
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Die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index wird als IGeL positiv bewertet.
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KÖLN. Wirtschaftlich, zweckmäßig, ausreichend und notwendig - wenn es um das geht, welche Leistungen ein Kassenarzt einem GKV-Versicherten bei der Behandlung auf Chipkarte schuldet, dann sind genau diese vier Begriffe die Kriterien, die vom Sozialgesetzbuch definiert sind.
Alles, was darüber hinausgeht, Leistungen, die "lediglich" sinnvoll, nützlich, wünschenswert oder gar optimal sind - den anderen Kriterien aber nicht gerecht werden - gehöre in den zweiten Gesundheitsmarkt. Daran erinnerte Privatmediziner Dr. Wolfgang Grebe aus Frankenberg in Hessen, beim 3. Bundeskongress für Privatmedizin in Köln.
Auch beim Behandlungsanlass, so Grebe, lasse sich diese Grenze ziehen: Begriffe wie Lebenserhaltung, Schmerzfreiheit, Heilung, Linderung, Sicherheit und Lebensqualität seien noch im 1. Gesundheitsmarkt abgedeckt.
Für Wohlbefinden, maximale Sicherheit, Komfort, Fitness oder Schönheit sei die Kassenmedizin allerdings nicht mehr zuständig, so der Internist.
GKV-Leistung oder IGeL? Der BMI entscheidet
Was das in der Praxis bedeutet, erläuterte Grebe am Beispiel des Übergewichts. Für eine Ernährungsberatung eines adipösen GKV-Versicherten zahle die Krankenkasse - die Grenze der Zuständigkeit der Kassenmedizin liege aber genau beim BMI 30, der unteren Grenze für Adipositas.
"Eine Ernährungsberatung, die Sie einem Übergewichtigen anbieten, der noch nicht adipös ist, ist keine Kassenleistung, weil noch keine Erkrankung vorliegt", sagte Grebe.
Sie sei zwar auch beim Übergewichtigen sinnvoll, um eine Adipositas zu verhindern, auch im Sinne der zukünftigen Lebensqualität des Patienten, aber sie falle nicht in die Zuständigkeit der Kassenmedizin.
Und auch beim Leistungsumfang sei die Grenze klar gezogen, so Grebe weiter: Eine strukturierte Ernährungsberatung, auch in Gruppen, gehöre nicht in den Bereich der GKV. Das gehe über den definierten Behandlungsumfang für Kassenpatienten hinaus.
Experten aus mehreren Fachgesellschaften hätten sich in den vergangenen Monaten zusammengesetzt und einzelne Präventions-IGeL vom medizinischen Nutzen her bewertet und dann auch zusammen mit Kassenärztlichen Vereinigungen Listen erarbeitet, nach denen sich die Ärzte richten könnten.
Ärzte sollten nicht nur Reparaturmediziner sein
Zu den positiv bewerteten Leistungen gehören zum Beispiel die ABI-Messung (Knöchel-Arm-Index) und die Messung der Pulswellen-Geschwindigkeit/Augmentationsindex, aber auch zum Beispiel die Messung der Herzfrequenzvariabilität.
"Wir werden immer in die Reparaturmedizin gedrängt, wir sind als Ärzte die Feuerwehr bei akuten Krankheiten, aber ich möchte doch viel lieber wieder Coach werden und Menschen so führen, dass sie ihre Gesundheit behalten", so Grebe.
Es sei zwar nicht belegt, dass Prävention für das Gesundheitswesen Geld einspare, betonte Grebe. Aber sie sei auf jeden Fall ein Mittel zur Steigerung der Lebensqualität.
Eine Präventionssprechstunde wäre daher auf jeden Fall ein sinnvolles Angebot für Arztpraxen, sagte der Privatarzt beim Bundeskongress. Diese Angebote sollten allerdings auf jeden Fall außerhalb der normalen Sprechstunde laufen, weil im laufenden Betrieb die Zeit fehlt, sich genügend um die Patienten zu kümmern.
Nicht zuletzt sei es wichtig, dass die IGeL-Regeln vom Ärztetag in Magdeburg eingehalten werden, auch für die eigene Sicherheit. "Ich habe jedes Jahr zwei Testpatienten von der AOK und der BEK", sagte Grebe.