Vertretungen
Praxisgemeinschaft unter Verdacht
Ärzte in Praxisgemeinschaften sollten sparsam mit gegenseitigen Vertretungen sein. Denn laut Bundessozialgericht deutet eine hohe Zahl gemeinsamer Patienten immer auf Gestaltungsmissbrauch hin.
Veröffentlicht:KASSEL. Ärzte dürfen in einer Praxisgemeinschaft nicht wie in einer Berufsausübungsgemeinschaft kooperieren. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss bekräftigt.
Danach deutet bereits ein Anteil gemeinsamer Patienten von unter 50 Prozent auf Missbrauch hin. Im Streitfall hatten zwei Urologen in Niedersachsen ihre frühere Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt und ihre Patientenzahl danach verdoppelt.
Bei dem geprüften Arzt waren in den Quartalen 2002 jeweils etwa 30 Prozent der Patienten auch beim Praxiskollegen in Behandlung, nach Abzug "berechtigter Vertretungsfälle" immer noch rund 25 Prozent. Die KV forderte für alle vier Quartale in 2002 insgesamt 13.300 Euro zurück.
Mit seiner Klage argumentierte der Urologe, die hohe Zahl gemeinsamer Patienten ergebe sich zu großen Teilen durch Vertretungen während ambulanter Operationen sowie durch die wechselseitige Betreuung von Heimpatienten. Ziehe man beides ab, liege der Anteil gemeinsamer Patienten unter 20 Prozent.
Hoher gemeinsamer Patientenanteil spricht für Gemeinschaftspraxis
Wie schon das Landessozialgericht Celle ließ nun auch das BSG dieses Argument nicht gelten. "Ein hoher gemeinsamer Patientenanteil spricht stets dafür, dass die Rechtsform der Praxisgemeinschaft im Praxisalltag nicht transparent realisiert wurde, sondern tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende Ausübung der ärztlichen Tätigkeit stattfindet", heißt es in dem Kasseler Beschluss.
Dabei sei "ein Formenmissbrauch nicht erst bei einer Patientenidentität von mehr als 50 Prozent anzunehmen".
Häufige Vertretungen sind dabei nicht herauszurechnen, betonte das BSG. Sie seien vielmehr "gerade als Indiz für eine gemeinsame Praxisführung zu werten".
Eine hohe Patientenidentität lasse sich zweifellos nicht nur durch übliche Vertretungen erklären; sie deute vielmehr auf eine gemeinsame Praxisorganisation hin. In einer Gemeinschaftspraxis aber könnten Vertretungen nicht abgerechnet werden.
Auch die "abgestimmte Behandlung von Heimbewohnern" rechtfertige die hohe Patientenidentität nicht. Ganze "Hausbesuchstage" seien ohnehin nur möglich gewesen, weil unterdessen in der Praxis der jeweilige Kollege - "wie der Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft" - auch die eigenen Patienten mit betreut habe.
Dabei könne es durchaus sinnvoll sein, gerade in Heimen Hausbesuche zu "bündeln". Es stehe den Urologen frei, hierfür wieder zur früheren Organisationsform der Gemeinschaftspraxis zurückzukehren, heißt es in dem Kasseler Beschluss. (mwo)
Beschluss des Bundessozialgerichts, Az.: B 6 KA 2/14 B