BDI
Qualitätssicherung am Ende nur zur Schadensbegrenzung?
Eine kritische Bilanz der Qualitätssicherung zog das BDI-Symposion anlässlich des Deutschen Krankenhaustages. Der Verdacht: QS wird benötigt, um Schadensbegrenzung als Folge der Ökonomisierung zu betreiben.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Medizinische Leitlinien und andere Instrumente der Qualitätssicherung werden häufig für ökonomische Zwecke missbraucht, fürchtet Dr. Hans-Friedrich Spies, der 2. Vizepräsident des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI).
Die Folgen: Die Verbesserung der Behandlungs- und der Versorgungsqualität gerät leicht aus dem Blick, und die Ärzte sehen die Qualitätssicherung zunehmend skeptisch, warnte Spies beim BDI-Symposium auf dem Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf.
Die einnahmeorientierte Ausgabenpolitik müsse zwangsläufig zu Konflikten zwischen dem Budget auf der einen und Leistungsinhalten und Leistungsmenge auf der anderen Seite führen. "Qualitätsvorgaben sollen die Nebenwirkungen der ökonomischen Steuerungen abmildern, dafür braucht man die Selbstverwaltung", sagte er.
Als jüngstes Beispiel sieht er die geplante gesetzliche Verankerung des Zweitmeinungsprinzips, bei der Qualitätsvorgaben zur Mengenbegrenzung genutzt würden. "Hier hat sich der Gesetzgeber desavouiert", kritisierte Spies.
Brüchige Evidenz bei Leitlinien?
Zwischen dem Einhalten von Leitlinien und der Qualität der Behandlung besteht in vielen Bereichen ein klarer Zusammenhang, sagte Dr. Michael Weber, Ärztlicher Direktor der Amper Kliniken AG. Evidenzlage, Signifikanz und Repräsentanz der Leitlinien seien aber oft viel brüchiger als vielfach angenommen. "Häufig werden beide unter dem Vorwand der Versorgungsqualität benutzt, um Einschränkungen oder Ausgrenzungen von Leistungen zu begründen."
Die positive Wirkung von Instrumenten wie Leitlinien und Mindestmengen sollte nicht überschätzt werden, forderte Weber. "Für mich zählt die nachgewiesene Ergebnisqualität mehr als die Zahl der erbrachten Leistungen."
Die Kassen zeigen sich überzeugt davon, dass Mindestmengen der Patientenversorgung dienen, betonte dagegen Dr. Mechthild Schmedders vom GKV-Spitzenverband. "Wir wollen Gelegenheitsversorgung verhindern."
Sie kritisierte, dass Krankenhausleistungen auch dann bezahlt werden, wenn Kliniken vorgegebene Mindestanforderungen nicht erfüllen. "Schlechte Qualität darf nicht ohne Konsequenzen bleiben", forderte Schmedders. Alles was unter den Mindestanforderungen liege, solle nicht erbracht werden dürfen.
Dr. Günther Heller, Abteilungsleiter beim AQUA-Institut, plädierte dafür, verstärkt Routinedaten in der Qualitätssicherung zu nutzen. "Man wird mit Qualitätssicherungs-Daten mit vertretbarem Aufwand nie alles erheben können", sagte er. Wie sinnvoll die Arbeit mit Routinedaten aus den Krankenhausinformationssystemen sein kann, habe sich im Bereich Dekubitus-Prophylaxe gezeigt.
Bislang komme die Patientenperspektive in der Qualitätssicherung zu kurz, beklagte Professor Susanne Schwalen, Geschäftsführende Ärztin der Ärztekammer Nordrhein. "Gerade als Ärzteschaft müssen wir diese Perspektive noch mehr einnehmen."
Qualitätssicherung und -management nähmen in der ärztlichen Tätigkeit einen immer größeren Raum ein, durch den wachsenden Druck entstehe bei den Ärzten ein gewisser Widerwille. "Wir müssen eine neue Akzeptanz finden", betonte Schwalen. Sie plädierte für eine stärkere Einbeziehung der Ärzte in die Qualitätssicherung. Hierbei könnten die Ärztekammern eine wichtige Rolle übernehmen.
Nutzen: das schlagendste Argument
Solange die Qualitätssicherung von Ärzten und Pflegekräften als System von Zuckerbrot und Peitsche wahrgenommen wird, wird sich keine nachhaltige Qualitätsverbesserung erreichen lassen, bestätigte Professor Hans Martin Hoffmeister, Sprecher der Sektionen und Arbeitsgemeinschaften im BDI. "Das Überzeugendste an Qualitätssicherung ist immer noch, wenn sie wirklich nutzt."
Sowohl für Ärzte als auch für Patienten sei die Qualität der Arzt-Patienten-Beziehung entscheidend. Sie liege aber nicht im Fokus der derzeit diskutierten Qualitätsvorstellungen.
Hinter ihnen könnten ganz unterschiedliche Interessen stehen, betonte Hoffmeister. "Den beteiligten Ärzten und Patienten bleibt zunächst nur die Möglichkeit, die Vorschläge unter dem Motto ‚Cui bono?‘ zu prüfen."