Thüringen
Schlange stehen für Augenarzttermin
In Gera hat eine neue Augenärztin in einem MVZ geöffnet - und rund 400 künftige Patienten stehen Schlange. Höhepunkt einer Kontroverse in Thüringen über die Notbeauftragung.
Veröffentlicht:GERA. Es gab keine Bananen, sondern Termine: Die Eröffnung einer neuen Augenarztpraxis in Gera (Thüringen) hat einen Patientenansturm ausgelöst.
Mehr als 400 Menschen standen Schlange, um einen Termin zu bekommen. Die ersten hatten sich bereits fünf Uhr morgens vor der Tür postiert, teilte das SRH Waldklinikum Gera mit. Die Praxis der Augenärztin Steffi Habrecht (55) gehört zum Medizinischen Versorgungszentrum des Krankenhauses.
Der Ansturm überrascht die Kassenärztliche Vereinigung nicht. "Es gab sehr viele Beschwerden von Patienten bei uns, dass sie von keiner augenärztlichen Praxis mehr aufgenommen wurden. Deshalb haben wir sie auch auf die neue Augenärztin aufmerksam gemacht", sagte KV-Sprecher Matthias Zenker.
Darüber hinaus griff die KV vor wenigen Wochen erstmals zum Mittel der Notbeauftragung. Patienten, die keinen Augenarzt in Gera gefunden haben, wurden mehreren Praxen zugewiesen.
Die Zwangszuweisung sorgte für erheblichen Unmut in der Ärzteschaft. Zumal die paradoxe Situation besteht, dass Gera seit der neuen Bedarfsplanung für neue Augenärzte gesperrt ist.
1600 Patienten pro Praxis im Quartal
Die MVZ-Praxis wurde noch nach der alten Planung zugelassen. "Es bedarf auch keiner weiteren Kollegen, weil Gera wirklich gut versorgt ist", sagt Jörg Müller, selbst Augenarzt in Gera und zweiter Vorsitzender des Thüringer Hartmannbundes.
Nunmehr elf Ärzte für knapp 100.000 Einwohner der Stadt seien ausreichend, früher habe es noch deutlich weniger gegeben.
Im Schnitt würden pro Praxis etwa 1600 Patienten im Quartal abgerechnet - das liege nur leicht über dem Niveau im gesamten Freistaat. Länger als vier Wochen müsse in Gera kein Patient auf einen Termin warten.
"Natürlich sind die Patienten heute älter. Hinzu kommt, dass wir innovative Therapien anwenden, die mehr Nachkontrollen erfordern." Ein Problem sei auch das Diabetiker-DMP, das eine Augenuntersuchung vorschreibt, aber die Terminlisten verstopfe.
KV denkt über Sonderbedarf nach
Die Notbeauftragung mehrerer Kollegen kritisierte Müller als "überzogen und rechtlich sehr fragwürdig. Das ist letztlich nichts anderes als Zwangsarbeit." Mit solchen Restriktionsmaßnahmen verschrecke man nur den medizinischen Nachwuchs.
Woher dann die Beschwerden der Patienten? Laut KV-Sprecher Zenker verschweigt Müller ein Problem: "Es gibt nicht genug konservativ tätige Augenärzte, die meisten sind operierende Ärzte."
Gebraucht werden gerade für ältere Patienten jedoch konservative behandelnde Augenärzte. Das ist finanziell aber weniger attraktiv. Deshalb denke die KV darüber nach, für konservative Augenärzte einen Sonderbedarf in der Bedarfsplanung auszuweisen.