Krankenhäuser

Schleudersitz Chefsessel

Das Risiko, als Geschäftsführer einer Klinik ausgewechselt zu werden, ist etwa 50 Prozent höher als bei Dax-Vorständen. Trotz hoher Fluktuation: Neue Geschäftsführer kurieren nicht die strukturellen Probleme deutscher Kliniken. Politiker sind gefragt.

Von Antonia von Alten Veröffentlicht:
Entlassen: Zwischen 2010 und 2012 gab es in mehr als 25 Prozent der deutschen Kliniken Wechsel in der Geschäftsführung.

Entlassen: Zwischen 2010 und 2012 gab es in mehr als 25 Prozent der deutschen Kliniken Wechsel in der Geschäftsführung.

© apops / Fotolia.com

Der Geschäftsführerposten in einem Krankenhaus gleicht einem Schleudersitz. Jahr für Jahr tauscht mehr als jedes vierte Krankenhaus Mitglieder der Geschäftsführung aus. Dieses Ergebnis einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wird dadurch noch brisanter, dass sich dieser Führungswechsel nicht unbedingt positiv auf die Wirtschaftlichkeit der Kliniken auswirkt.

Die KPMG-Studie basiert auf einer repräsentativen Stichprobe von 391 Kliniken aus allen Bundesländern (123 in öffentlicher, 121 in privater und 147 in frei-gemeinnütziger Trägerschaft). In den Jahren 2010 bis 2012 fanden danach jährlich in mehr als 25 Prozent der deutschen Kliniken Veränderungen in der Geschäftsführung statt.

Durchschnittlich wird ein Geschäftsführer alle 6,4 Jahre ausgewechselt. Das Risiko eines Krankenhausgeschäftsführers, ausgewechselt zu werden, ist laut KPMG um mehr als 50 Prozent höher als das des Vorstands eines Dax-Konzerns.

Zwischen Trägerschaften lassen sich der Studie zufolge deutliche Unterschiede in der Häufigkeit des Austausches von Klinik-Chefs erkennen. Im Schnitt finden mit etwa 32 Prozent die häufigsten Wechsel in Krankenhäusern in privater Trägerschaft statt, frei-gemeinnützige Einrichtungen folgen mit rund 25 Prozent und öffentliche mit circa 20 Prozent.

Jüngster Klinikgeschäftsführerwechsel mit Medienwirbel: Alfred Dänzer ist nach Hygieneverstößen als Geschäftsführer des Mannheimer Universitätsklinikums zurückgetreten. Kurz darauf kündigte er an, nicht mehr für das Präsidentenamt bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zu kandidieren.

Anfang Juli trennten sich fast zur selben Zeit die beiden großen Klinikgesellschaften Hannovers von ihren Geschäftsführern. Das sind drei Beispiele von hunderten von Geschäftsführern, die 2014 die Chefsessel von deutschen Krankenhäusern räumen mussten - manche auch ganz regulär aus Altersgründen oder aufgrund von langfristig geplanter Rotation.

Viele jedoch sind einfach dem Erwartungsdruck, der auf ihnen lastete, nicht gerecht geworden.

Fall Dänzer sorgt für Medienwirbel

Als "überraschend" bezeichnet Dr. Boris Augurzky, Gesundheitsökonom beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), den überdurchschnittlich hohen Wechsel auf den Chefsesseln der Krankenhäuser, den KPMG herausgefunden hat. Eine Erklärung scheint ihm die schlechte wirtschaftliche Lage der deutschen Kliniken.

Der vom RWI herausgegebene Krankenhaus Rating Report macht das deutlich: 35 Prozent der Kliniken schrieben im Jahr 2012 einen Jahresverlust. Zwei Jahre vorher waren es nur 16 Prozent.

Insgesamt leben viele Krankenhäuser von ihrer Substanz. Während es der restlichen Wirtschaft in Deutschland hervorragend geht, gibt es bei den Kliniken nur wenige Lichtblicke.

Der häufige Wechsel in den Geschäftsführungsetagen von Kliniken ändert nichts daran. Sie zeigen nur, dass vor allem die Geschäftsführer und Vorstände den Kopf hinhalten müssen. Sie tragen die Gesamtverantwortung für das Krankenhaus und werden als erste hinterfragt.

Die Gehälter von Klinikgeschäftsführern sind - verglichen mit denen in anderen Branchen - nicht exorbitant. Das zeigt der Vergütungsreport "Ärzte, Führungskräfte & Spezialisten in Krankenhäusern" der Managementberatung Kienbaum.

Führungskräfte in Kliniken verdienen deutlich weniger als Manager in Wirtschaftsunternehmen. Klinik-Geschäftsführer kommen 2014 im Schnitt auf 190.000 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das Jahresdurchschnittsgehalt aller deutschen Geschäftsführer beträgt laut Kienbaum 389.000 Euro.

Insgesamt sind Stellen in diesem Arbeitsfeld für viele Manager also nicht besonders attraktiv.

Wirkung auf Jahresergebnisse hält sich in Grenzen

Die Hoffnung, mit neuen Geschäftsführern bessere Ergebnisse zu erreichen, erfüllt sich der KPMGStudie zufolge nicht: Dem Austausch von Mitgliedern der Geschäftsführung folgten im Folgejahr nur bei weniger als der Hälfte verbesserte Jahresergebnisse.

Bei dem überwiegenden Anteil der Krankenhäuser, die einen Geschäftsführerwechsel vornahmen, verschlechterte sich das Jahresergebnis sogar.

Neue Geschäftsführer kurieren offensichtlich nicht die strukturellen Probleme deutscher Kliniken: Zum einen gibt es zu viele Krankenhauskapazitäten. Die Bettenauslastung der Kliniken ist laut aktuellem Krankenhaus Rating Report konstant bei 77 Prozent.

Zum anderen kommt die öffentliche Hand ihren Finanzierungsverpflichtungen nicht nach. Die Folge: Bauten, die unzweckmäßig geworden sind, veraltete Anlagen und Technik.

Diese Rahmenbedingungen zu verändern, ist nicht Aufgabe von Geschäftsführern, sondern von Politikern.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Bundessozialgericht

Bronchoflex Tubus ist ein flexibles Instrument

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neurologische Entwicklungsstörungen

Epilepsie in der Schwangerschaft: Start mit Lamotrigin empfohlen

Lesetipps
Ein Mann hat Kopfweh und fasst sich mit beiden Händen an die Schläfen.

© Damir Khabirov / stock.adobe.com

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Der gelbe Impfausweis

© © mpix-foto / stock.adobe.com

Digitaler Impfnachweis

eImpfpass: Warum das gelbe Heft noch nicht ausgedient hat

Ein Aquarell des Bundestags

© undrey / stock.adobe.com

Wochenkolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zum Ampel-Aus: Eigenlob und davon in rauen Mengen