Medizintechnik
Smart Data – Hoffnungsträger für effiziente Präzisionsmedizin
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz bietet enormes Potenzial für den optimierten medizinischen Versorgungsalltag. Ein Selbstläufer ist das nicht, so der Konsens beim jüngsten KI-Gipfel in Essen. Die Hürden sind teils noch hoch für eine effektive Digitalisierung.
Veröffentlicht:ESSEN. Das weltweit verfügbare medizinische Wissen verdoppelt sich heute innerhalb von nur 75 Tagen – ein von keinem einzigen Menschen überschaubares Konvolut. Die reine Menge sagt dabei noch nicht einmal etwas über die Qualität der Arbeiten aus. "Wir brauchen Smart Data, nicht nur Big Data, um die medizinische Versorgung effizient und effektiv voranzutreiben" – eindringlich mahnte NRW-Digitalminister Andreas Pinkwart (FDP) am Freitag beim diesjährigen Kongress "Emerging Technologies in Medicine – Artificial Intelligence and Robotics" am Universitätsklinikum Essen zum strategischen Datenmanagement für die optimierte Performance im medizinischen und pflegerischen Versorgungskontext.
Klares Plädoyer für Robotereinsatz
Für Pinkwart, der auch Professor für Innovationsmanagement und Entrepreneurship ist, steht außer Frage, dass Roboter sowohl in der Pflege als auch im medizinischen Versorgungsalltag zum integralen Bestandteil werden. In der Pflege setzt er dabei auf den Einsatz humanoider Roboter, die das Personal bei einfachen Arbeiten entlasten und so Zeiträume für mehr persönliche Zuwendung schaffen könnten – Forschungen dazu laufen zum Beispiel an der Frankfurt University of Applied Sciences.
Viel früher als Deutschland hat Japan bereits in den 1980er Jahren die Gefahren des demografischen Wandels und eines Fachkräftemangels in der Pflege erkannt und die Chancen identifiziert, die sich mittels Robotertechnik für die Entlastung der Pflegekräfte ergeben.
Für die Medizin setzt Pinkwart auf roboterassistierte OP-Systeme sowie auf Künstlicher Intelligenz (KI) und Big Data basierte Diagnoseunterstützungssysteme wie Watson von IBM. Derzeit arbeiten die großen Medizintechnikanbieter an der Verknüpfung hochauflösender Bildgebungsverfahren mit der KI-gestützten Mustererkennung und Diagnoseassistenz inklusive Behandlungsempfehlung und Eingriffsvorschlägen.
Drohender Sargnagel Bürokratie
Ironisch, aber mit Sorge um die Realisierbarkeit der digitalisierten Medizin und Pflege in Deutschland, verwies Pinkwart auf die lange Bürokratietradition hierzulande. Dies sei ein großer Hemmschuh und drohender Sargnagel für die KI-basierte Präzisionsmedizin.
Hier sieht Pinkwart die aufstrebenden asiatischen und afrikanischen Schwellenländer im Vorteil – ihres disruptiven Potenzials wegen, das nicht durch überbordende Bürokratie in enge Schranken verwiesen werde.
Gerade die Präzisionsmedizin bedürfe des Inputs persönlicher Gesundheitsdaten. Hier gebe es aber noch viel zu hohe datenschutz- und andere rechtliche Hürden.
Privatdozent Dr. Felix Nensa, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Uniklinikums Essen, plädierte für mehr Offenheit ärztlicherseits für den Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der Eingriffsplanung und -durchführung. "Diese Techniken sind als Copiloten zu verstehen, nicht als Autopiloten", verdeutlichte Nensa.
Im Klartext hieße das für Operateure und andere Ärzte, dass sie die letzte Entscheidung zu Diagnostik und Therapie träfen, nicht die KI.
KI sei ein Teil der Lösung, nicht des Problems. Big Data werde in der Medizin keinesfalls ärztliche Stellen wegrationalisieren, trat er explizit latenten Befürchtungen von Medizinern entgegen. Er verwies auf der anderen Seite aber auch auf die großen Herausforderungen, vor der die interdisziplinären Forscherteams noch stünden, um die Kompetenz – und damit die schon hohe Diagnosegenauigkeit – der KI-Lösungen auf Basis von Machine und Deep Learning weiter zu stärken.