Ärztemangel
Stadtlandarzt - die ideale Lösung?
Die junge Ärztin Dorothee Meyer hat sich auf das Abenteuer eingelassen, als Weiterbildungsassistentin aufs Land zu gehen - ohne auf die Nähe zur Großstadt zu verzichten. Eine Erfolgsgeschichte der Initiative stadtlandpraxis des Landkreises Harburg.
Veröffentlicht:HOLLENSTEDT/WINSEN. Das Ringen um hausärztliche Nachwuchskräfte gestaltet sich in vielen Teilen Deutschlands schwer. Es mangelt oft an attraktiven Perspektiven. Unterversorgung ist somit eine allgegenwärtige Bedrohung - auch in der Nähe von Metropolen.
Vor drei Jahren haben der Landkreis Harburg im Süden Hamburgs und Ärzte den Schulterschluss geprobt und im Rahmen der Landkreis-Initiative stadtlandpraxis auf Plakaten großflächig für ein ärztliches Engagement auf dem Lande geworben - mit dem Zusatz, gleichzeitig in der Stadt wohnen bleiben zu können.
Solch ein Plakat stieß der mittlerweile 31-jährigen Ärztin Dorothee Meyer ins Auge - und überzeugte sie.
Attraktives Patientenspektrum
"Die große Bandbreite der Patienten von jung bis alt finde ich in dieser Hausarztpraxis besonders attraktiv", erläutert Meyer. Seit April 2013 arbeitet die Mutter zweier kleiner Kinder als Assistenzärztin halbtags in der Hausarztpraxis von Jörg Fischer und Lilli Blaut in Hollenstedt.
Nach zwei Jahren in einer Klinik in Hannover setzt sie hier ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin fort, wie Sozialdezernent Reiner Kaminski vom Landkreis Harburg informiert.
Meyer kann nun nach eigenem Bekunden das beste beider Welten - Land und Stadt - vereinbaren: "Für uns als Familie ist das die ideale Lösung: Wir leben gern im Grünen auf dem Land und haben die Großstadt Hamburg doch ganz in der Nähe."
Das Familienglück komplettiert hat demnach auch der Umstand, dass Meyers Partner im Landkreis Harburg eine Weiterbildungsstelle gefunden hat - als Assistenzarzt am kreiseigenen Krankenhaus in Winsen an der Luhe.
Eins steht fest, die Weiterbildungsassistentin zieht eine positive Zwischenbilanz ihres bisherigen Wirkens in der Hausarztpraxis. "Ich kann hier sehr viel lernen, weil wir erst mal fast jede Erkrankung selbst diagnostizieren und behandeln und die Patienten nicht gleich zum Facharzt überweisen", so Meyer.
"Durch die Großstadtnähe haben wir hier gute Bedingungen für eine optimale medizinische Versorgung unserer Patienten", ergänzt Fischer. "Und durch die ländliche Struktur kennen wir unsere Patienten sehr gut und können sie ganzheitlich betreuen", schiebt er nach. Auch die Kooperation mit den kreiseigenen Kliniken in Buchholz und Winsen laufe gut.
Die Beteiligten der LandkreisInitiative stadtlandpraxis hoffen, dass sie noch mehr junge Mediziner nach dem Vorbild von Meyer für eine ärztliche Tätigkeit im Landkreis Harburg begeistern können. Doch sie wissen auch, dass ihre Zielgruppe schon im Studium kräftig umworben wird - und zwar meist von großen Klinikkonzernen.
Vielleicht punktet die Initiative ja in Sachen Service - so wie im Fall Meyer: "Aufmerksam wurden wir durch eine Plakatwerbung, danach ging alles sehr schnell. Nach dem Erstkontakt mit der Initiative bekam ich gleich sechs Angebote von Hausärzten, die Weiterbildungsassistenten suchen. Da konnte ich mir aussuchen, wo es für mich am besten passt." Bei Jörg Fischer in Hollenstedt passte es offenbar auf Anhieb.
Vermittlung als Win-Win-Situation
Auch Fischer ist voll des Lobes für die Vermittlung und spricht von einer Win-Win-Situation: "Geeignete Assistenzärzte für die eigene Praxis zu finden, das ist für den niedergelassenen Arzt in ländlichen Regionen heute sehr schwierig geworden."
Fischer sieht in der gegenwärtigen Situation in seiner Praxis auch die Bestätigung eines Trends - und zwar weg vom Praxischef hin zum angestellten Arzt. "Ich lege in meiner Praxis den Schwerpunkt auf Teamarbeit, steuere das Praxis-Management aber als Unternehmer bewusst allein.
Angesichts der hohen medizinischen Anforderungen ist der traditionelle Landarzt als Einzelkämpfer nicht mehr zeitgemäß", resümiert er. Darum gehe der Trend bei jungen Medizinern immer mehr in Richtung Anstellung. Gerade junge Frauen und Familien schätzten die Sicherheit und Flexibilität dieses Arbeitsmodells.
Auch hier berät stadtlandpraxis junge Ärzte gezielt: "Dank unseres Netzwerks von über 80 Ärzten im Landkreis können wir Absolventen sehr attraktive und passgenaue Angebote machen", so Initiator Kaminski.
"Seit unserem Start 2011 haben wir bereits acht Assistenzstellen vermittelt, und konnten ebenso viele Ärzte bei ihrer Praxisgründung oder Übernahme unterstützen", zieht er Bilanz.