Patientenverfügungen
Streit um Standard und Aussagen
Mit juristischen Mitteln streiten sich derzeit zwei Anbieter von Patientenverfügungen über Modalitäten und Anforderungen an diese für Ärzte verbindliche Willensbekundung. Der Ausgang ist noch völlig offen.
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Mehrere Organisationen und gewerbliche Anbieter halten für Interessierte Vordrucke für Patientenverfügungen vor.
© Ralf Kalytta / Fotolia
AUGSBURG/LEIPZIG. Eine Patientenverfügung soll allen volljährigen Bürgern ein Instrument an die Hand geben, mit dem sie in jeder Phase ihres Lebens vorsorglich für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit festlegen können, ob und inwieweit sie in eine ärztliche Behandlung oder pflegerische Begleitung einwilligen oder diese ablehnen. So lautet der Wille des Gesetzgebers.
Die Verfügung ist für alle Beteiligten (Ärzte, Betreuer, Bevollmächtigte, Pflegepersonal, Gerichte) verbindlich, so weit sie Ihren Willen für eine konkrete Behandlungssituation klar erkennbar zum Ausdruck bringt. So bringt es Justizminister Heiko Maas in einer Broschüre seines Ministeriums auf den Punkt.
Kein verbindlicher Qualitätsstandard
Patientenverfügung
» Gesetzliche Verankerung: In Paragraf 1901 a BGB sind die Rahmenbedingungen von Patientenverfügungen geregelt.
» Akzeptanz: Eine Studie des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf, für die 998 Patienten auf Stationen der Klinik für Intensivmedizin vor ihrer Verlegung auf eine Normalstation befragt wurden, zeigt, dass nur 29,4 Prozent eine Patientenverfügung besaßen.
» Formalia: Eine Patientenverfügung muss sich konkret auf bestimmte Maßnahmen oder Krankheiten beziehen. Eine Ablehnung "lebensverlängernder Maßnahmen" allein reicht nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (Az.: XII ZB 61/16) nicht aus.
Indes fragen sich viele Patienten, wie sie an eine Patientenverfügung kommen, die im Fall der Fälle rechtsverbindlich greift. Im Web und in Medien gibt es diverse Warnungen vor nicht rechtskonformen Vorlagen. Um Standards und Aussagen zu Patientenverfügungen dreht sich derzeit auch ein Streit zwischen zwei Anbietern.
So wurde der in Leipzig ansässige Onlinedienst DIPAT auf Betreiben der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) via Einstweiliger Verfügung (EV) durch das Landgericht (LG) Augsburg, verpflichtet, künftig seine Aussage zu unterlassen, dass für Patientenverfügungen und deren Anbieter – und damit auch für DIPAT – erstmals ein verbindlicher Qualitätsstandard gilt. Der Beschluss liegt der "Ärzte Zeitung" vor.
Auch darf DIPAT nicht mehr behaupten, der Onlinedienst sei der bisher einzige Anbieter von Patientenverfügungen, der durch den Bundesverband der Sachverständigen für das Versicherungswesen (BVSV) zertifiziert worden ist.
Dasselbe gilt für die Aussage, der Standard BVSV Nr. 055 sei ab sofort gerichtsverbindlich für alle Sachverständigen für das Versicherungswesen sowie für die Behauptung, eine wirksame Patientenverfügung könne nur aus ärztlicher Hand kommen.
Pressemitteilung zurückgezogen
Mit eben diesen Punkten ist der Leipziger Anbieter Mitte Juli in einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gegangen – inzwischen hat er sie zurückgezogen.
"Der angesprochene Verkehrskreis erwartet im Zusammenhang mit den Begriffen der Zertifizierung und der Patientenverfügung gesetzesgleiche Qualität. Den verbindlichen Qualitätsstandard für Patientenverfügungen festzulegen ist aber Aufgabe des Gesetzgebers", so der Vorsitzende Richter in seinen Gründen für den Beschluss – verankert ist die Patientenverfügung in Paragraf 1901 a BGB. "Das Gesetz im Wege der Auslegung für die Verfasser von Patientenverfügungen zu konkretisieren ist ebenfalls nicht Aufgabe des BVSV, sondern der Gerichte", heißt es in den Gründen ergänzend.
Auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" betonte der Arzt und DIPAT-Geschäftsführer Dr. Paul Brandenburg, alle in der von Seiten der DGHS monierten Pressemitteilung seines Unternehmens "gemachten Aussagen sind bewiesenermaßen wahr bzw. wissenschaftlich belegte Tatsachen". Er sieht sein Unternehmen im Visier der DGHS, die "offenbar mit allen Mitteln" gegen die DIPAT-Kernaussagen vorgehen wolle.
"Als Motivation drängt sich die Annahme auf, dass diese Organisation durch unseren neuartigen ärztlichen Onlinedienst für wirksame Patientenverfügungen ihr eigenes Geschäftsmodell existenziell bedroht sieht. Diese Sorge unseres Wettbewerbers halte ich für völlig berechtigt", so Brandenburg.
Abgespeckte Unterlassungserklärung
Auf diesen Vorwurf angesprochen, wies DGHS-Vizepräsident und Rechtsanwalt Professor Robert Roßbruch im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" auf den Umstand hin, dass die DGHS als gemeinnütziger Verein keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen dürfe.
Zugleich bestätigt er, von DIPAT-Seite eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung erhalten zu haben, die darauf abziele, der DGHS die in einer Pressemitteilung in Folge der EV gemachte Aussage, sie "beobachtet den Onlinedienst DIPAT mit seinem extrem aggressiven und wahrheitswidrigen Werbeverhalten schon seit längerer Zeit", künftig zu unterlassen.
Er habe nur der Unterlassung der Aussage zugestimmt, "DGHS warnt vor Patientenverfügungen von DIPAT", wie eine Teilüberschrift einer Pressemitteilung gelautet habe – "ein bedauerlicher Fehler der DGHS-Pressestelle", so Roßbruch.
DIPAT könnte nun mit seinem Ansinnen einer EV vor das LG Leipzig ziehen. Würde dessen Beschluss widersprochen, folgte das Hauptsacheverfahren – mit der Option auf einen Marsch durch die Instanzen.