Laborreform

TSH beim Diabetiker? „Das geht jetzt voll auf meine Kappe“

15 Monate Praxisalltag mit der Laborreform – und immer noch Ärger: Medizinisch sind die Ausnahmekennnummern teilweise nicht glücklich gewählt. Ein Problem: So manchen wichtigen Laborparameter zahlen Vertragsärzte jetzt aus eigener Tasche.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Mit Barcode lassen sich die Proben den Aufträgen zuordnen. Der Ärger mit der Abrechnung bleibt. angellodeco / stock.adobe.com

Mit Barcode lassen sich die Proben den Aufträgen zuordnen. Der Ärger mit der Abrechnung bleibt. angellodeco / stock.adobe.com

© angellodeco / Fotolia

Treuchtlingen. Nein, so richtig glücklich ist Dr. Peter Löw bis jetzt nicht mit der Laborreform aus dem April 2018 geworden. Den hausärztlichen Internisten, der im fränkischen Treuchtlingen niedergelassen ist, ärgern vor allem einige kleine, aber feine medizinische Details, die entweder seine haus- und fachärztliche Arbeit als Arzt behindern – oder ihn einiges Geld kosten.

Dr. Peter Löw

Dr. Peter Löw

© privat

Ihm geht es um die sogenannten Ausnahmekennnummern im Labor, EBM-Nr. 32004-32024. Sie werden bei bestimmten Krankheiten gesetzt, damit aufgrund dieser Krankheiten notwendigerweise erhöhte Laborkosten nicht den Arzt, der das Labor beauftragt, in der Form belasten, dass ihm der Wirtschaftlichkeitsbonus nach EBM-Nr. 32001 gekürzt oder sogar ganz gestrichen wird. Bei Hausärzten stehen dabei 19 Punkte je Fall, also 2,06 Euro nach aktuellem Orientierungswert von 10,8226 Cent je Punkt auf dem Spiel.

Anders als früher werden seit Inkrafttreten der Laborreform bei Setzen einer Ausnahmekennnummer nicht mehr alle Laborleistungen beim betreffenden Patienten von der Berechnung des Wirtschaftlichkeitsbonus‘ ausgenommen, sondern nur noch bestimmte, auf die jeweilige Indikation bezogene Leistungen, die sogenannten Ziffernkränze.

Auch das C-reaktive Protein zur Diagnostik bei Rheumatoider Arthritis zahle ich aus eigener Tasche.

Dr. Peter Löw Hausärztlicher Internist in Treuchtlingen

Ziffernkränze sind unvollständig

Und hier fallen dem Hausarzt Löw etliche Indikationen ein, bei denen die Ziffernkränze nicht alle gängigen, für die Verlaufskontrolle und Therapiebegleitung der Krankheiten wichtigen Laborleistungen enthalten.

Hier einige Beispiele:

  • Typ-II-Diabetes, EBM-Nr. 32022: Viele Diabetes-Patienten seien übergewichtig oder gar adipös. Eines der gerade massiv zunehmenden Lebensstil-Risiken sei Steatosis hepatis. „Die nicht durch Alkohol bedingte Leberzirrhose wird eine der Volkskrankheiten in den kommenden Jahren“, glaubt Löw, aber Leberwerte wie Gamma-GT oder GPT sind nicht im Ziffernkranz der Ausnahmekennnummer 32022 enthalten, und auch Harnsäure als Indikator für Ernährungsfehler ist nicht dabei.“

Früher habe man als Hausarzt auch immer mal TSH gemessen, um eine relativ häufig bei Diabetikern vorkommende Schilddrüsenunterfunktion aufzuspüren. Er sehe sich auch als Präventionsarzt, sagt der Hausarzt-Internist. Durch eine bessere Einstellung des Schilddrüsenhormons sei es ihm häufig gelungen, auch den Blutzucker der betroffenen Diabetiker besser einzustellen. „Heute muss ich diesen relativ teuren Parameter auf meine Kappe nehmen.“ Die Bestimmung des TSH ist mit drei Euro bewertet.

  • Antibiotikaverordnung, EBM-Nr. 32004: Zur Bestimmung, ob ein Infekt bakteriell bedingt ist, ist im Ziffernkranz zur 32004 der Procalcitonin-Test aufgeführt. Auch damit ist Löw nicht glücklich: „Ich habe kein Problem mit dem Procalcitonin-Test bei Verdacht auf schwere bakterielle Infektionen, etwa Sepsis oder Meningitis. Wir haben ihn auch viel auf Intensivstation eingesetzt. Aber der Test hat eine Schwäche ausgerechnet bei der Pneumonie, und genau die ist für Hausärzte natürlich besonders wichtig“, erläutert er. Er vermisst daher im Ziffernkranz das CRP, das bei Atemwegsinfektionen zuverlässige Hinweise gebe. „Wir können doch nicht bei jedem Atemwegsinfekt mit Verdacht auf Pneumonie ein Röntgenbild machen lassen“, betont er.
  • Rheuma, EBM-Nr. 32023: Da er auch rheumatologisch tätig ist, vermisst Löw das C-reaktive Protein in der Diagnostik, vor allem bei seropositiven Rheuma-Patienten. Er sehe sofort, wenn ein Medikament anspricht, und auch ein aktueller Schub lasse sich darüber direkt erkennen, erläutert er. „Das fehlt völlig im Ziffernkranz, und auch diesen teuren Parameter zahle ich dann aus eigener Tasche, weil der Laborbonus entsprechend gekürzt wird“, moniert Löw.
  • Check-up 18: Das Labor der Gesundheitsuntersuchung ist dem Hausarzt schon lange ein Dorn im Auge. „Das ist so, als wenn ich mit dem Auto zum TÜV fahre, der schaut kurz in den Kofferraum und klebt dann die Plakette drauf.“ Keine Leberwerte, keine Harnsäure, die gemessenen Triglyceride schwankten je nach Diät des Vortages und seien daher nur bedingt aussagekräftig: Mit dieser Form der Prävention über Laborwerte ist Löw nicht glücklich. Bei den Inhalten der GU wie auch bei den Ziffernkränzen der Ausnahmekennnummern sieht er daher an manchen Stellen noch viel Luft nach oben für eine gute Medizin.
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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 08.08.201913:47 Uhr

Manipulative Labor-"Reform" der KBV

Ab 1.4.2018 "wird quasi als Verteilungsfaktor für jedes Quartal der individuelle Fallwert der Praxis ermittelt. Dazu wird die Summe aller Laborkosten eines Quartals durch die Fallzahl im Quartal geteilt. Hat unser Hausarzt zum Beispiel 1.400 Euro Laborkosten verursacht, beträgt sein individueller Fallwert also 1,40 Euro (1.400 : 1.000 = 1,4).
Ein festgelegter Korridor bestimmt nun, wie hoch der Anteil ist, den der Arzt aus dem errechneten Wirtschaftlichkeitsbonus erhält. Bei Hausärzten liegt der Korridor zwischen 1,60 Euro und 3,80 Euro. Er wurde auf Basis der Abrechnungsdaten des Jahres 2015 für die einzelnen Fachgruppen berechnet und ist im EBM festgelegt.
Liegt der arztindividuelle Fallwert oberhalb jener Obergrenze, erhält der Arzt von seinen 2.024,32 Euro keinen Cent, denn er hat zu hohe Laborkosten ausgelöst. Liegt er unterhalb des Korridors, war er also besonders sparsam, erhält er den kompletten Betrag von 2024,32 Euro. Liegt er innerhalb des Korridors, erhält er entsprechende Anteile des Bonus quotiert gutgeschrieben.
Welchen Wirtschaftlichkeitsbonus ein Arzt erhält, entscheidet sich also nicht nur an der Fall- und Punktzahl, sondern auch daran, wie viele Kosten er mit seinen Anforderungen ausgelöst hat." (KBV-Zitat Ende)

Grundsätzlich ändern daran auch zahlreiche Ausnahmeziffern nichts. Denn diese sind viel zu rigide gefasst: Ein Diabetiker bekommt z.B. kein Blutbild zum Ausschluss einer Anämie, sondern nur einen HbA1c und die Kreatinin - Bestimmung. Alles andere, wie z.B. TSH (Schilddrüsen-Fehlfunktion), GPT/GGT (Hepatopathie), LDL-Cholesterin, Insulin/Insulin-AK ö. ä. fließen trotzdem in die Gesamt-Budgetrechnung mit ein.

Vor dem 1.4.2018 bewirkte die Angabe einer Labor-Ausnahme-Kennziffer, dass alle in dem betreffenden Behandlungsfall durchgeführten und angeforderten Laborleistungen nicht mehr auf das Laborbudget angerechnet werden konnten. Bei unseren sehr häufig multimorbiden Patientinnen und Patienten wurden dann alle zusätzlich notwendigen und indizierten Laboruntersuchung gemacht, ohne über dabei durchgeführte oder veranlasste Laborparameter Ängste um Überschreitung des Laborbudgets auszulösen. Von daher sind die neuen Laborregelungen der KBV kontraproduktiv und bilden die Versorgungsrealität in der vertragsärztlichen Praxis gar nicht mehr ab.

Es sind nach ärztlich-professioneller Berufsauffassung primär die Symptome, Beschwerden, Krankheitszeichen, Diagnosen, Differenzialdiagnosen und Therapien unserer Patientinnen und Patienten, welche Art und Umfang der spezifischen Labor-Diagnostik und -Kosten bestimmen. Von daher bleibt es grundsätzlich fragwürdig und rechtlich angreifbar, warum nach historisch eher mittelalterlichen Prinzipien niedergelassene, freiberuflich tätige Primär - und Fachärzte/-innen ausgerechnet für die Erkrankungen ihrer Patienten in Labor-Budget-Verpflichtung und finanzielle Haftung genommen werden sollen?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr.med. Henning Fischer 08.08.201910:22 Uhr

anhaltender Betrug mit dem Labor!

Auch als erfahrener Kassenarzt (> 30 Jahre) verstehe ich meine Honorarbescheide in großen Teilen nicht. Ähnlich geht es mir mit den Laborreformen.

Bei Praxisübernahme 1985 hatten wir 2 Labortage in der Woche. Eine Helferin stand zwei Vormittage im praxiseigenen Labor u.a. am Photometer. Anfangs gab es gutes Geld dafür. Dann kam Seehofer mit der Parole: Geiz ist Geil, nur das (eingesparte) Geld zählt noch.

Die Labor-Honorare wurden unter Budget natürlich immer mehr gekürzt. Also gingen wir in eine von uns kontrollierte Laborgemeinschaft mit ca. 60 Mitgliedern. Da rentierte sich das Labor wieder. Den Kassen war das ein Dorn im Auge und so reduzierten sie die Honorare erneut, da wir ja wieder am Labor verdienten. So ging das über Jahre weiter, und die Laborgemeinschaften schlossen sich zu immer größeren (bei uns über 500 Mitglieder) zusammen, um die Kosten zu reduzieren und Gewinne zu erhalten.

Da die KBV/KV überwiegend nur noch zur Honorarmangel-Verwaltung existiert hat man wohl überlegt, wo noch Honorare gekürzt werden können, ohne daß es zum Kollaps kommt. Und so hat man die Gewinne im Labor ganz gestrichen, wir bekommen nur noch Kostenersatz, und das Facharztlabor soll durch Laborboni reduziert werden. Labor"wirtschaftlichkeits"bonus bedeutet: der Kassenarzt bekommt eine gewisse Summe gutgeschrieben. Für jede Laboruntersuchung, die er veranlaßt (und an der er nichts verdient) wird von diesem Bonus etwas abgezogen. D.h., je mehr Untersuchungen der Kassenarzt dem Patienten vorenthält, umso mehr verdient er selber. Unfaßbar, wer denkt sich solchen unmoralischen Mist aus?

Und wie sieht die Realität aus? Liest man die Fachinformationen z.B. von gängigen Blutdruckmedikamenten, dann werden dort vor und nach Behandlungsbeginn Laborkontrollen empfohlen bzw. gefordert. Diese werden aber ganz überwiegend nicht gemacht. "Experten" beklagen immer wieder, wieviele Patienten wegen Medikamentennebenwirkungen stationär behandelt werden müssen. Die einfachste und billigste Methode, das in vielen Fällen zu verhindern, ist die Laborkontrolle. Wie viele Laboruntersuchungen kann ich machen für den Preis, den 1 Woche Krankenhausaufenthalt kostet? Wahrscheinlich reicht das für alles Labor aller meiner Patienten für ein Jahr oder mehr!

Seit Jahrzehnten schon reagieren KBV und KVen nur noch mit untauglichen Maßnahmen und "Reformen" auf den Spardruck von Politik und Kassen, versuchen, den Honorarmangel einigermaßen zu verteilen, was ihnen aber nicht gelingt. Gegen die grundsätzlichen Fehler im System (z.B. Honorarbudgets, die möglicherweise verfassungswidrig sind) unternehmen sie nichts und können sie wohl auch nicht. Sie sind somit als Interessenvertretung für Kassenärzte ungeeignet.

Wenn ich bedenke, welchen unglaubliche Bürokratiemoloch Frau Schmidt mit ihren Rabattverträgen und aut-idem schuf, ein Gesetz, daß viele Patienten geschädigt hat - und die KBV hat NICHTS dagegen unternommen!

Mehr als weitere Verschlimmbesserung ist vom KV-System nicht zu mehr erwarten.

p.s.: als ich 1985 meine Praxis übernahm, bekam ich von der KVWL ein Büchlein mit dem Titel (etwa) "sinnvolle Stufendiagnostik im Labor". Das wurde nie wieder aufgelegt.

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