Professoren-Einfluss
Verfassungsgericht rüffelt MHH
Professoren an der Medizinischen Hochschule Hannover haben einen unzureichenden Einfluss, so das Bundesverfassungsgericht. Es stärkt nun die Freiheit von Forschung und Lehre.
Veröffentlicht:KARLSRUHE. An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) müssen Professoren mehr Einfluss bekommen. Ihre Beteiligungsrechte genügen derzeit nicht der verfassungsrechtlichen Freiheit von Forschung und Lehre, wie das Bundesverfassungsgericht entschied.
Mit Erfolg rügte ein Professor und Senatsmitglied konkret die Bündelung aller wichtigen Entscheidungen auf einen dreiköpfigen Vorstand ohne ausreichendes Gegengewicht des Senats.
Dadurch sei dort die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre "strukturell gefährdet", bestätigte das Bundesverfassungsgericht. Bis Ende 2015 muss Niedersachsen sein Hochschulgesetz entsprechend ändern.
Zwar seien die Länder nicht an tradierte Organisationsformen ihrer Hochschulen gebunden. Auch die Übertragung der laufenden Geschäfte auf einen Vorstand sei im Grundsatz zulässig. Mit der Freiheit von Forschung und Lehre seien "Organisationsnormen allerdings nicht vereinbar, wenn durch sie ein Gesamtgefüge geschaffen wird, das die freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung strukturell gefährdet".
Konkret forderten die Karlsruher Richter, dass "die wissenschaftlich Tätigen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen hinreichend mitwirken können". Das seien nicht nur Entscheidungen unmittelbar zu Forschung und Lehre.
"Wissenschaftsrelevant sind auch Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den Haushalt", da die Professoren auf entsprechende Ressourcen angewiesen seien.
Bei der vorstandsgeführten MHH kommt es nach dem Karlsruher Beschluss auf ein ausbalanciertes Machtverhältnis mit dem Senat an. Je mehr und je grundlegendere Entscheidungen dem Senat entzogen und dem Vorstand zugewiesen seien, desto größer müsse im Gegenzug die Mitwirkung des Senats bei der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder sein.
Dies sei bei der MHH nicht erfüllt, rügte das Bundesverfassungsgericht. Nicht nur kurzfristige Entscheidungen würden vom Vorstand getroffen. Die mittel- und langfristige Entwicklung werde in "Zielvereinbarungen" zwischen Präsidium und Wissenschaftsministerium ausgehandelt.
Die formale Zuständigkeit des Senats für die Entwicklungsplanung werde so "unterlaufen". Seit 2005 habe es keine Entwicklungsplanung mehr gegeben.
Im Gegenzug fehle ein ausreichender Einfluss des Senats auf den Vorstand, um dessen Macht zu kompensieren. An der Findungskommission für die Suche neuer Vorstände sei der Senat nicht angemessen beteiligt. Und über die Vorschläge dieser Kommission könne das Wissenschaftsministerium nach politischem Ermessen entscheiden.
Dies sei "verfassungsrechtlich bedenklich", rügten die Richter. Das Widerspruchsrecht des Ministeriums müsse auf rechtliche Einwände begrenzt sein. (mwo)
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, Az.: 1 BvR 3217/07
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