PKV

Versicherer fordern Steueranreize für Pflegepolicen

Die Pflegeversicherung gerät zunehmend an ihre finanziellen Grenzen. Um sie zu entlasten, müsse die private Vorsorge gestärkt werden, betont der Verband der privaten Krankenversicherung – und ruft auch nach dem Staat.

Von Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Um die Pflege im Alter abzusichern, muss oft auf Reserven zurückgegriffen werden. Manchen Senioren wächst allerdings die Belastung durch steigende Eigenanteile über den Kopf.

Um die Pflege im Alter abzusichern, muss oft auf Reserven zurückgegriffen werden. Manchen Senioren wächst allerdings die Belastung durch steigende Eigenanteile über den Kopf.

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Berlin. Mit dem Vorschlag für einen „neuen Generationenvertrag“ Pflege hat sich der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) in die Debatte um die Pflegefinanzierung eingeschaltet. Ziel sei es, die Belastung älterer Menschen aufgrund steigender Eigenanteile abzufedern und jüngere Menschen beim Aufbau der Eigenvorsorge zu unterstützen, sagte PKV-Verbandsdirektor Dr. Florian Reuther am Mittwoch in Berlin.

Zuletzt hatten sich SPD und Grüne, aber auch Kassen für einen Umbau der Pflegefinanzierung ausgesprochen. Anlass sind steigende Eigenanteile der Versicherten an den stationären Pflegekosten. Zuletzt lagen die Eigenanteile im Bundesdurchschnitt bei 662 Euro im Monat.

Im Kern sieht das Modell der Privatversicherer vor, die eigenverantwortliche Vorsorge für den Pflegefall durch steuerliche Förderung zu stärken. Ein Beispiel dafür stellt der „Pflege-Bahr“ dar – benannt nach dem ehemaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr. Durch mehr Eigenvorsorge lasse sich der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung langfristig auf heutigem Niveau nahe drei Prozent halten, betonte Reuther.

Ausreichende Eigenvorsorge oft nicht möglich

Für die heute Älteren, denen der Aufbau einer ausreichenden Eigenvorsorge nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, sieht das PKV-Modell zusätzliche Leistungen aus der Pflegeversicherung vor: Der Anstieg der Eigenanteile würde gedämpft. Dabei erhielten die heute über 80-Jährigen die größte Unterstützung, die nachfolgenden Jahrgänge schrittweise weniger.

Sobald alle „Babyboomer“ – also die 1964 Geborenen – in Ruhestand gehen, soll diese Solidarleistung auslaufen. Die nachkommenden Versicherten wären dann durch die von ihnen geleistete private Vorsorge abgesichert, so die PKV.

Es gibt ein sehr starkes Bewusstsein, dass man etwas tun muss, um das persönliche Pflegerisiko abzusichern.

Dr. Florian Reuther, Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung

Wer Pflege sozial gerecht reformieren wolle, dürfe nicht nur an die heute Pflegebedürftigen denken, sagte Reuter. Genau das sei eine Schwachstelle anderer Modelle wie Sockel-Spitze-Tausch“, Vollversicherung oder Steuerzuschuss. Diese Ideen liefen darauf hinaus, die „demografieanfällige Umlagefinanzierung“ in der Pflege ausweiten. Das belaste Jüngere über Gebühr und schwäche obendrein den Wirtschaftsstandort Deutschland.

„Mit unserem Modell wollen wir den Ausstieg aus der Spirale steigender Beitragssätze in der Pflege schaffen“, sagte PKV-Geschäftsführer Dr. Timm Genett. Die Szenarien reichten hier bis hin zu einem Beitragssatz nahe acht Prozent im Jahr 2040.

Jeder weitere Anstieg würde aber das von der Politik gesteckte Ziel torpedieren, die Sozialversicherungsabgaben unter 40 Prozent zu halten. Derzeit liegen die Abgaben bei insgesamt gut 39,6 Prozent.

Risiken für „kleines Geld“ absichern

Pflegeversicherte müssten deshalb verstärkt in die Lage versetzt werden, ihre „Pflegelücke“ selber zu schließen, sagte Reuther. Dieser Weg sei das „fairere Verfahren, da jede Generation ihre eigenen Rücklagen aufbaut.“

Entsprechende Tarife der Privatversicherer seien schon auf dem Markt. Sie kosteten – insbesondere dann, wenn der Abschluss in jüngeren Jahren erfolge – viel weniger als angenommen. Für einen 35-Jährigen gebe es bereits Angebote von unter 40 Euro monatlich, um Eigenanteile bei einer Heimpflege absichern zu können. Für 50-Jährige hätten Versicherer eine Pflegevorsorge von weniger als 77 Euro im Portfolio.

Für „kleines Geld“ lasse sich somit ein „teures Risiko“ absichern, sagte PKV-Politikchef Genett. Durch Steuerabzüge, Betriebsvereinbarungen oder staatliche Förderung könnten die Angebote noch günstiger ausfallen, hieß es.

PKV-Chef Reuther gestand ein, dass es bei den privaten Policen noch viel Luft nach oben gibt. Laut PKV-Verband verfügen momentan 3,7 Millionen Bundesbürger über eine private Pflegezusatzversicherung. 900.000 haben den Pflege-Bahr abgeschlossen. Gleichwohl sei das Bewusstsein für private Pflegevorsorge zuletzt „deutlich gestiegen“, sagte Reuther.

Wie hoch ist die Bereitschaft, in die eigene Tasche zu greifen?

Die Privatversicherer verweisen in diesem Zusammenhang auch auf eine Umfrage des Allensbach-Instituts von Juni 2019. Danach wäre das Gros der Bundesbürger bereit, zur Vorsorge für den Pflegefall in die eigene Tasche zu greifen: Nur einer von sechs Befragten kann sich überhaupt nicht vorstellen, privat für Pflege vorzusorgen.

Kritik am PKV-Modell äußerte der Chef des Wissenschaftlichen Instituts der AOK Professor Klaus Jacobs. „Wachsenden Eigenanteilen kann nur gezielt begegnet werden, wenn man sie seriös kalkulieren kann“, sagte Jacobs der „Ärzte Zeitung“ am Mittwoch. Das aber könne heute niemand, schon gar nicht über Jahrzehnte hinweg.

„Deshalb muss man sie begrenzen – mit solidarischer Finanzierung unter Beteiligung aller Bürger.“ Schon der Pflege-Bahr sei ein Flop. „Ihm sollten keine weiteren Subventionen für untaugliche PKV-Produkte folgen“, betonte Jacobs.

SPD: „Geschäftsmodell für die Versicherungsbranche“

Kritisch äußerte sich auch die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Bärbel Bas. Das PKV-Modell sei „vor allem ein neues Geschäftsmodell für die Versicherungsbranche“, sagte Bas am Mittwoch in Berlin. Private Vorsorge solle damit ausgebaut, die paritätische Finanzierung von Pflege aufgehoben werden. „Mit diesem Vorschlag lösen wir keine Probleme. Im Gegenteil: Wir brauchen eine Begrenzung der Eigenanteile und eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung in der Pflege.“

In die gleiche Kerbe schlugen Grüne und Linksfraktion. „Die Vorschläge der PKV sind nicht neu, sondern ein Abklatsch des bereits gescheiterten Pflege-Bahr und verschärfen die bestehenden Probleme“, sagte die Grünen-Pflegeexpertin Kordula Schulz-Asche. Die Pflegeversicherung sei als Sozialversicherung mit zwei Zweigen konzipiert – sozialer und privater Pflegeversicherung – worden. „Doch die Umlagen der Einnahmen und Ausgaben greifen nur innerhalb des jeweiligen und nicht zwischen den beiden Versicherungszweigen.“

Vor allem die „einkommensstärkeren, jüngeren und gesünderen Versicherten des privaten Zweigs“ profitierten davon, einen im Vergleich zu allen Versicherten deutlich geringeren Anteil zu den Ausgaben der Pflege beizusteuern, wandte Schulz-Asche ein.

Linksfraktion plädiert für Einbeziehung der Privatversicherten

Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik der Linken nannte den Vorschlag der PKV einen „milliardenteuren Unfug, denn die Pflege älterer Menschen betrifft alle Generationen“. Die Spaltung verlaufe nicht zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Arm und Reich. „Endlich die Privatversicherten mit Spitzeneinkommen in die solidarische Finanzierung pflegerischer Versorgung einzubeziehen – das ist die Brücke in die Zukunft, die jetzt gebraucht wird“, sagte Zimmermann.

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