Patientendatenschutzgesetz
Vertrauen in Patientenakte durch ein Gesetz in Frage gestellt?
Die Kritik des Datenschutzbeauftragten an den Regeln zur elektronischen Patientenakte im PDSG findet Widerhall bei vielen Akteuren des Gesundheitswesens. Aber nicht alle sind derselben Meinung.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Viel Zustimmung, aber auch Ablehnung erfährt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Professor Ulrich Kelber für seine Kritik an der Umsetzung der elektronischen Patientenakte im Patientendatenschutzgesetz (PDSG). Kelber hatte zusammen mit mehreren Kollegen aus den Ländern vor allem moniert, dass Versicherte im ersten Jahr nach Einführung der ePA keine Möglichkeit haben, Ärzten den Zugriff auf einzelne Dokumente der Akte verwehren zu können.
Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt fordert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nun zu einer „ernsthaften Auseinandersetzung“ mit der Kritik des Datenschutzbeauftragten auf. Die Bereitschaft der Ärzte sei groß, sich einer sinnvollen Digitalisierung des Gesundheitswesens zu stellen. Diese Bereitschaft sei zugleich „aber immer noch ein sehr empfindliches Pflänzchen“, so Reinhardt. Man müsse Bedenken ernst nehmen und so weit wie möglich ausräumen.
Vertrauen in ePA gefährdet
Auch der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) begrüßt das Eingreifen des Datenschutzbeauftragten. Digitalisierung im Gesundheitswesen gehe nur über Vertrauen und dieses müsse aufgebaut werden. „Das lässt sich nicht ministeriell verordnen“, so Benedikt Waldherr, Vorstandsvorsitzender des bvvp. Dieses Ziel konterkariere Spahn regelmäßig, indem er auf Gesetze und Verordnungen das Etikett „Patientendatenschutz“ klebe, die Inhalte aber in letzter Konsequenz mit einer Aushöhlung des Datenschutzes einhergingen.
Der bvvp plädiert dafür, zunächst abzuwarten und weiterzuentwickeln, „bis die notwendigen Schutzmechanismen implementiert sind“, wie bvvp-Digitalisierungsexperte Mathias Heinicke konkretisiert.
Kassen durch PDSG im Dilemma
Zwischen zwei Stühlen sieht die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Dr. Doris Pfeiffer die Krankenkassen: Einerseits gebe es die gesetzliche Verpflichtung, andererseits Datenschutzbedenken. Die Kassen wollten den digitalen Fortschritt nutzen, um die Versorgung der Versicherten zu verbessern, betont Pfeiffer. Sie fordert von der Politik „Klarheit und Rechtssicherheit“.
Deutschland international zurück
Nicht glücklich ist der Digitalverband Bitkom mit der Stellungnahme der Datenschützer: Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder verweist darauf, dass Deutschland gegenüber vielen Ländern „um Jahre, teils Jahrzehnte bei der Nutzung digitaler Technologien im Gesundheitswesen“ zurückliege. Die Einführung der elektronischen Patientenakte sei längst überfällig, so Rohleder.
Der angekündigte Start der Akte im Januar 2021 dürfe nicht gefährdet werden. Die Versicherten würden durch die ePA souveräner und mündiger. Er verweist auf eine Bitkom-Studie, derzufolge 73 Prozent der Menschen die ePA nutzen würden.
Versäumnisse des BMG
Auch von der politischen Seite kommen Kommentare zu der Stellungnahme: Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und Maria Klein-Schmeink, Grünen-Sprecherin für Gesundheitspolitik, konstatieren „ein massives Versäumnis der Bundesregierung“. Schon seit Anfang 2018 sei bekannt, dass das Rechtemanagement in der ersten Version der Akte fehlen werde. Gehandelt habe die Bundesregierung jedoch nicht.
Unterstützung erhält der Bundesgesundheitsminister dagegen aus den eigenen Reihen: CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß kritisiert den Bundesdatenschutzbeauftragten. „Bei der Einführung der elektronischen Patientenakte brauchen wir keine Bedenkenträger, sondern Macher“, sagte Krauß. Kelber hätte sich im Gesetzgebungsverfahren zum Patientendatenschutzgesetz konstruktiv einbringen können, so Krauß. Das habe er offensichtlich versäumt. Im Nachgang seine Bedenken aufzutischen sei nicht hilfreich.
Ähnlich äußert sich Tino Sorge, der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Dieses gemeinsam entwickelte Gesetz jetzt wieder in Frage zu stellen, ist ein fragwürdiges Signal“, so Sorge. „Die elektronische Patientenakte wird kommen, und sie muss kommen. Das erleben wir in der Corona-Pandemie tagtäglich. Dabei braucht es keine ‚Warnungen‘ oder ‚Untersagungen‘ der Datenschützer“, kritisiert Sorge. Immerhin handele es sich bei der ePA um ein freiwilliges Angebot, das niemanden verpflichte. (syc/ger)