MDS urteilt scharf

"Viele IGeL können schaden"

Der Medizinische Dienst des GKV-Spitzenverbandes feiert den dritten Geburtstag seines kritischen Portals IGeL-Monitor. Aus diesem Anlass holt er erneut zu einer Generalkritik aus: Die meisten Selbstzahlerleistungen seien nicht nur nutzlos, sondern teils sogar schädlich.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Harsche Kritik an IGeL-Leistungen übt der MDS.

Harsche Kritik an IGeL-Leistungen übt der MDS.

© BerlinStock / fotolia.com

BERLIN. Der Medizinische Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) bleibt bei seiner weitreichenden Generalkritik an Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL).

"Wir halten die Entwicklung auf dem boomenden IGeL-Markt für bedenklich. Die Patienten werden nicht ausreichend über Nutzen und Risiken informiert", sagte MDS-Geschäftsführer Dr. Peter Pick bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin.

Pick appellierte an den Gesetzgeber, im Patientenrechtegesetz eine mindestens 24-stündige Bedenkzeit für Patienten mit einem IGeL-Angebot zu installieren. Der Gesetzgeber solle Kassen- und IgeL-Leistungen zum Schutze der Patienten entmischen, so Pick.

Drei Jahre nach der Einführung des IGeL-Monitors, einer Website, auf der sich Patienten und Ärzte über die Ultraschalluntersuchung der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung oder die Stoßwellentherapie beim Fersenschmerz informieren können, fällt der MDS ein ernüchterndes Urteil.

"Die Mehrzahl der IGeL schneidet schlecht ab und hat keinen nachweisbaren Nutzen für die Patienten, oder sie können sogar schaden", sagte Pick.

Umsatz von 1,3 Milliarden Euro

Rund 1,3 Milliarden Euro im Jahr setzen die niedergelassenen Ärzte mit geschätzten rund 400 Selbstzahlerleistungen um.

Nach einer Umfrage der Techniker Krankenkasse führen Gynäkologen, Zahnärzte und Ophthalmologen die Liste derjenigen Ärzte an, die solche Leistungen am häufigsten erbringen.

Jeder zweite Patient, der eine Arztpraxis betritt, bekommt demnach eine Individuelle Gesundheitsleistung angeboten.

Bislang hat der MDS 37 IGeL unter die Lupe genommen. Aktuelles Beispiel ist die Kombination von Augenspiegelung (Ophthalmoskopie) und Messung des Augeninnendrucks (Tonometrie).

Damit sollen frühzeitig Veränderungen erkannt, die Entstehung von Glaukomen verhindert oder das Fortschreiten eines bestehenden Glaukoms aufgehalten werden.

Für Dr. Michaela Eikermann, beim MDS zuständig für den Bereich Evidenzbasierte Medizin, fällt das Urteil für diese Methode "tendenziell negativ" aus. Allerdings steht der MDS jeder IGeL reserviert gegenüber, die sich nicht eindeutig positiv einordnen lässt.

Die MDS-Recherche habe keine Studie identifiziert, die dem Nutzen der Glaukom-Früherkennung nachgespürt habe, sagte Eikermann.

Ebenso gebe es keine Studie, die der Frage nachgegangen sei, wie zuverlässig eine Kombination beider Früherkennungs-Untersuchungen sei.

Nur vier von 37 positiv

Es gebe also zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine ausreichend begründeten Hinweise auf einen Nutzen der Kombi-Untersuchung, ebensowenig sei dieser sicher auszuschließen.

Von den bisherigen 37 Bewertungen sind nur vier eher positiv ausgefallen. Bei 16 IGeL hat der MDS den potenziellen Schaden höher bewertet als den Nutzen.

Unter Schaden versteht der MDS zum Beispiel ärztliche Behandlungen aufgrund einer falsch-positiven Diagnose. 13 IGeL bewegen sich im Niemandsland einer "unklaren" Bewertung.

Sportmedizinische Checks wie zum Beispiel die Tauchtauglichkeitsuntersuchung werden nicht gewertet.

Von den positiv bewerteten Methoden hat derzeit die Stoßwellentherapie beim Fersenschmerz die größten Chancen, zur Kassenleistung aufzusteigen.

In den drei Jahren seines Bestehens haben ausweislich der MDS-Statistik zwei Millionen Nutzer das Webportal besucht.

460 Patienten hätten sich in E-Mails negativ über IGeL beim Praxisbesuch geäußert. Insgesamt haben 4200 Nutzer die Kontaktmöglichkeiten des Portals genutzt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Blick durch die rosarote Brille

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Kommentare
Peter Pachmann 01.03.201518:11 Uhr

Gespräch mit dem MDS

Der MDS beklagt sich über die Qualität der IGeL Leistungen, ist aber nicht in der Lage, in einem annehmbaren zeitlichen Rahmen eine Bewertung der Leistungen vorzunehmen. Bis zu zwei Jahre und länger kann es laut der zuständigen Mitarbeiterin des MDS dauern, bis eine Leistung bewertet werden kann. Mehr als 250 dem MDS bekannte Leistungen sind bislang noch nicht einmal überprüft worden.

Mit diesem Artikel hat der MDS wohl gezeigt, dass er seiner mit dem IGEL Monitor selbst auferlegten Aufgabe, der Bewertung von IGeL Leistungen, nicht gerecht wird. Rein statistisch gesehen ist die Aussage des MDS auch nicht haltbar, da keine ausreichende Menge an Prüfungen der Gesamtleistungen vorgenommen wurde.

Ich bitte deshalb den MDS, die Prüfung der einzelnen Leistungen ERST vorzunehmen BEVOR darüber gesorpchen wird.

Bernhard Behrens 01.03.201500:36 Uhr

Hier irrt Dr. Schätzler

Werter Dr. Schätzler,

ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir erklärten, inwiefern ich den „Bock zum Gärtner“ mache.

Ebenso unverständlich ist, worin eine Irreführung in unseren Aussagen zum Schwellkörperin-jektionstest (SKIT) besteht und was falsch daran sein soll.

Der Verordnungsausschluß von Arzneimitteln bei Erektionsstörungen nach § 34 SGB V war überhaupt nicht bezweifelt und angesprochen von uns. Von diesem Ausschluß ist jedoch nach der aktuellen Arzneimittelrichtlinie AM-RL/ Anlage II das Alprostadil als Diagnostikum, also für die Injektion beim SKIT, ausgenommen und wird von der GKV bezahlt (ca. 50 €).

An den Rechtsgrundlagen für die Entscheidung der Patientenbeauftragten hat sich bis heute nichts geändert. Dabei ging es auch nicht um Therapie wie Sie schreiben, sondern um medi-zinisch notwendige Diagnostik. Und die kann nicht zwischen Patient und Arzt ausgehandelt und nach Gusto privat liquidiert werden.

Wir freuen uns über jede inhaltlich korrekte Kritik zu unseren Aussagen. Ihre Zeilen sind dazu leider nicht geeignet und kein Beitrag gewesen.

Mit bestem Gruß
Bernhard Behrens

Selbsthilfegruppe Erektile Dysfunktion (Impotenz)
www.impotenz-selbsthilfe.de
kontakt@impotenz-selbsthilfe.de

Dr. Thomas Georg Schätzler 27.02.201519:15 Uhr

@Bernhard Behrens mit ihrer "IGeL"-Kritik machen Sie den "Bock zum Gärtner"?

@Bernhard Behrens von der Selbsthilfegruppe Erektile Dysfunktion (Impotenz)
www.impotenz-selbsthilfe.de
kontakt@impotenz-selbsthilfe.de

Ich brauche kein Urologe zu sein, um die Irreführung in ihrem Kommentar zu erkennen: Das von Ihnen angesprochene: "Der EBM enthält die Leistungsziffern für den SKIT (Ziffern 33043, 33062 und 33064)" ist falsch, da es sich ausschließlich um die Uro-Genital-Sonografie (33043), die CW-Doppler Gefäße männl. Genitalsystem (33062) und PW-Doppler Gefäße männl. Genitalsystem handelt.

Medikamente für die Behandlung von sexuellen Funktionsstörungen wie Injektionen von Alprostadil (Caverject®, Viridal®) sind nach § 34 SGB V nicht verordnungsfähig: "Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen."

Alle ärztlichen Leistungen j e n s e i t s der §12 (Wirtschaftlichkeitsgebot) und §34 SGB V sind verpflichtend privatärztlich IGeL-Leistungen, dürfen nicht zu Lasten der GKV angewandt werden.

Was die "Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten", Frau Kühn-Mengel, Ihnen am 15.Oktober 2004 schriftlich mitgeteilt hat, ist ganze 11 Jahre später immer noch relativ restriktiv, juristisch determiniert:
"Die diagnostische Suche nach den möglichen Ursachen einer erektilen Dysfunktion bei Vorliegen eines Krankheitsverdachtes ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen" heißt nichts anderes, dass die Therapie nach wie vor k e i n e Leistung der GKV ist. Über Sinnhaftigkeit, Umfang und Intensität der Diagnostik entscheidet der Urologe gemeinsam mit seinem Patienten nach SGB V.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wolfgang P. Bayerl 27.02.201518:29 Uhr

Der MDS sollte sich schämen! wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Wir sind immer noch ein freier Beruf und keine Angestellten der Krankenkassen.
Die möchten sich bitte mehr Gedanken machen, über das was sie bezahlen, z.B. "chinesische Medizin" oder Homöopathie !!!
Therapeutika, die per Gesetz überhaupt keinen Wirkungsnachweis benötigen!!!
Von der Lawine der unwissenschaftlichen "Psychomedizin" mal ganz zu schweigen.

Dipl.-Med Bernd Stammel 27.02.201509:38 Uhr

Es gibt noch nicht genug Planwirtschaft und Bürokratie im Gesundheitswesen….

…. deshalb brauchen wir den wertvollen Input des MDS. Da die Praxen auch noch nicht voll genug sind, kommen die Patienten einfach nach 24 Stunden nochmals vorbei.

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