Medizinprodukte
Vier Jahre Gnadenfrist für Altprodukte?
Berlin. Wenige Monate vor Ablauf der Übergangsfristen der 2017 vom EU-Parlament beschlossenen novellierten europäischen Medizinprodukte-Verordnung (MDR) hat der Rat der Europäischen Union vor dem Hintergrund drohender Liefer- und Versorgungsengpässe die Reißleine gezogen. Das hat der Bonner Rechtsanwalt Professor Burkhard Sträter am Montag bei einem GBA-Rechtssymposion berichtet.
In einem „Corrigendum“ hat der Rat für Medizinprodukte der Klasse I, für die vor dem 26. Mai 2020 eine EU-Konformitätserklärung erstellt wurde, eine Verlängerung der Übergangsfrist um vier Jahre bis Mai 2024 beschlossen. Dieser Korrektur muss das Europäische Parlament noch zustimmen, was aber als unstrittig gilt.
Mit der neuen Medizinprodukteverordnung hatte die EU auf den Brustimplantate-Skandal der Firma PIP reagiert und strengere Regeln für die Zulassung und Rückverfolgbarkeit von Implantaten sowie eine neue und qualifizierte Akkreditierung der sogenannten Benannten Stellen, die die betreffenden Medizinprodukte zertifizieren müssen, eingeführt.
Neuakkreditierung schleppend verlaufen
Diese Neuakkreditierung der Benannten Stellen ist in den letzten zweieinhalb Jahren sehr schleppend verlaufen – die Zulassungskapazität in Europa ist damit auf ein Bruchteil geschrumpft. Als Folge warnen die Hersteller seit Monaten vor einem Zulassungsstau und drohenden Versorgungsengpässen.
Mit der jetzt beschlossenen Korrektur, so warnt Sträter, sei das Problem allerdings nur aufgeschoben, wenn es nicht gelinge, wesentlich mehr Benannte Stellen für die Zulassung der betreffenden Medizinprodukte zu rezertifizieren.
Eine gewisse Entspannung zeichnet sich nach Sträters Angaben für den Fall eines ungeregelten Brexits ab. Der Brexit hat zur Folge, dass ein im Vereinigten Königreich hergestelltes Medizinprodukt künftig für den EU-Markt eine Konformitätsbescheinigung einer Benannten Stelle benötigt, die in der EU akkreditiert ist.
Die gute Nachricht: Die British Standard Institution, die zwei Drittel der CE-Zertifikate in UK erstellt, ist inzwischen als Benannte Stelle in den Niederlanden und Deutschland akkreditiert. (HL)