Leitartikel zum Hausarzt-EBM

Vom KBV-Dilemma und dem Ärzte-Frust

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung zeigt sich zufrieden mit den Ergebnissen des neuen Hausarzt-EBM. Doch ist ihre Perspektive nicht mit der der Ärzte deckungsgleich. Und an der Schnittstelle zu den Regionen zeigt sich ein wunder Punkt des KV-Systems.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Bringt der neue EBM den Hausärzten mehr Honorar? Die KBV hat nachgerechnet.

Bringt der neue EBM den Hausärzten mehr Honorar? Die KBV hat nachgerechnet.

© Thomas Francois/Fotolia.com

Die Einführung des neuen Hausarzt-EBM ein Erfolg, Geburtsfehler heilbar, mögliche Honorarverwerfungen letztlich Sache der Kassenärztlichen Vereinigungen. Das ist die Sichtweise der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf die Ergebnisse der Leistungsanforderungen der Hausärzte im vierten Quartal 2013, die KBV-Vorstand Regina Feldmann am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat.

Die Ergebnisse geben Frau Feldmann Recht - aber nur zum Teil. Die KBV will den eingeschlagenen Weg der EBM-Reform weitergehen, doch der Streit um die Interpretation der Ergebnisse ging am Donnerstag gleich in die nächste Runde, der Hausärzteverband warnt davor, "die Weiterentwicklung des EBM unkritisch voranzutreiben".

Der Reihe nach: Der Leistungsbedarf der Hausärzte, gemessen in abgerechneten Punkten, hat sich in QIV/2013 im Vergleich zum Vorjahresquartal bundesweit um 2,3 Prozent erhöht. Auch im eigentlichen Hausarztkapitel 3 des EBM ist eine geringe Steigerung zu verzeichnen, die vor allem auf die neuen palliativmedizinischen und geriatrischen Leistungen zurückzuführen ist.

Ein Problem gibt es bei der Gesprächsziffer, deren Budget die Hausärzte bei Weitem nicht ausgeschöpft haben. Hier hatten KBV und Kassen ursprünglich eine hohe Mengenausweitung befürchtet und deshalb die Leistung auf 50 Prozent der Behandlungsfälle gedeckelt.

Außerdem war die Berechnung des Gesprächs beim ersten Patientenkontakt quasi ausgeschlossen, weil ein Gespräch bis zu zehn Minuten als fakultative Leistung mit der Versichertenpauschale als abgegolten gewertet wurde.

Diese restriktive Regelung ist im Dezember rückwirkend gestrichen worden - für viele Hausärzte sicher zu spät, um die Abrechnung zu ändern. Die Ergebnisse des nächsten Quartals werden zeigen, ob die Hausärzte Gespräche häufiger erbringen und damit einen höheren Leistungsbedarf dokumentieren können.

Das Dilemma der KBV

Gerade an diesem Punkt zeigt sich ein Dilemma der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Die EBMReform war bei den Krankenkassen offenbar nur unter der Maßgabe durchsetzbar, dass es nicht zu höheren Punktzahlanforderungen komme - Stichwort Punktsummenneutralität.

Erst spätere Veränderungen des Leistungsbedarfs, aufgrund von Änderungen in der Morbidität und in der demografischen Struktur, dürften sich aus Kassensicht - möglicherweise - aufs Honorar auswirken.

An diesem Punkt ist auch die Strategie der KBV durchaus nachvollziehbar, nach dem streng an Pauschalen ausgerichteten alten EBM stärker auf einen Bewertungsmaßstab zu setzen, der das tatsächliche Leistungsgeschehen eher abdeckt - zum Beispiel durch die neuen Geriatrieleistungen, aber auch durch die stärker nach Altersgruppen differenzierte Versichertenpauschale und die Zweiteilung der Chronikerpauschale, je nach Zahl der persönlichen Arzt-Patientenkontakte.

Die Hoffnung: Mit zunehmendem Leistungsbedarf gibt es gute Argumente für steigende Honorare. Vor allem an diesem Punkt sieht die KBV jetzt auch Nachbesserungsbedarf: Eine intensive Betreuung chronisch kranker Patienten soll in Zukunft besser honoriert werden.

Damit wäre ein weiterer Geburtsfehler des neuen EBM, der Rückgang der Leistungsanforderungen bei den Chronikerpauschalen korrigiert.

Der Frust der Ärzte an der Basis

Sicher ist: Die Hoffnung vieler Ärzte an der Basis, dass durch den neuen EBM schnell ein höherer Anteil der erbrachten Leistungen am Ende zum festen Punktwert bezahlt wird und dass dadurch auch die Fallwerte steigen könnten, musste angesichts dieser Vorgaben enttäuscht werden.

Bei den Leistungsanforderungen je Fall hat es per saldo mehr oder weniger eine schwarze Null gegeben, in einigen KVen sind die Fallwerte bei den Hausärzten sogar gesunken.

Was dies am Ende für das ausgezahlte Honorar bedeutet, ist eine ganz andere Frage. Das hat mit manchen Verwerfungen an der Schnittstelle zwischen EBM und der regional im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) geregelten Honorarverteilung zu tun.

Frau Feldmann hat Recht, wenn sie darauf verweist, dass die Ergebnisse der Honorarverhandlungen auf KV-Ebene sowie Änderungen bei der Honorarverteilung teilweise einen höheren Einfluss haben als Änderungen im EBM. Die mangelnde Transparenz der Honorarregeln für die Basis ist ein wunder Punkt des KV-Systems und trägt entscheidend zu der Unzufriedenheit vieler Ärzte mit ihrer Körperschaft bei.

Wie geht es weiter? Die Weiterentwicklung des EBM muss zunächst den Gang durch die Instanzen gehen - Ausgang offen. Die Höherbewertung der Chronikerpauschale ist zunächst Verhandlungssache im Bewertungsausschuss - sie würde die Akzeptanz des neuen Regelwerks verbessern, auch wenn gerade die Abrechnungsvoraussetzungen zur Chronikerpauschale vielen Ärzten ein Dorn im Auge sind.

Und die hoffnungslos unterfinanzierten Leistungen der Geriatrie und der Palliativmedizin? Es wird sich zeigen, ob hier die Leistungsanforderungen, wie von der KBV prognostiziert, tatsächlich sinken. Falls nicht, wären die Krankenkassen gefragt, hier nachzulegen.

Lesen Sie dazu auch: Patientengespräche: Ärzte nutzen neue Chancen zu selten Chronikerpauschale: KBV und Kassen verhandeln neu

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