Digitale Visite

Warum Tablets Klinikärzten mehr Zeit bescheren

Tablets beschleunigen zwar nicht die Visite im Krankenhaus, sie bringen den Ärzten aber mehr Zeit für die Patienten. Das hat eine Untersuchung an der Berliner Charité gezeigt.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Der Einsatz von Tablet-PC verhilft Ärzten an der Charité Universitätsmedizin Berlin zu wertvollen Zeitreserven.

Der Einsatz von Tablet-PC verhilft Ärzten an der Charité Universitätsmedizin Berlin zu wertvollen Zeitreserven.

© Charité-Universitätsmedizin

BERLIN. Auch wenn noch einiges in Papierakten festgehalten wird, Computer gehören in der Universitätsmedizin natürlich längst zum Alltag. Auf dem Visitenwagen fährt beispielsweise ein Notebook mit.

Bringt es da Ärzten tatsächlich etwas, wenn sie bei der Visite noch ein Tablet bei sich haben? Dieser Frage ging ein Forschungsprojekt an der Charité-Klinik für Neurologie in Berlin nach.

Ärzte, die regelmäßig an Rundgängen zur Visite teilnehmen, wurden in die Arbeit mit elektronischen Patientenakten auf Tablet-Computern eingewiesen.

14 Wochen lang wurden unter anderem die Vor- und Nachbereitungszeiten der Visite und die Dauer der Visite selbst erhoben.

Gestoppt wurde auch, wie viel Zeit die Ärzte direkt am Krankenbett verbringen und wie lange sie zum Nachschlagen medizinischer Daten benötigen.

Auswertung überraschte die Ärzte

Die Auswertung der gesammelten Daten überraschte die Ärzte doch ein wenig. "Wir dachten, dass die Visite damit vielleicht schneller geht", berichtet Professor Stephan Brandt, Stellvertretender Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie.

Doch das Projekt zeigte, dass die Visite mit dem Tablet genauso lange dauert wie die konventionelle. Neu war, dass die Ärzte nun aber mehr Zeit für die Patienten hatten.

Statt etwa vier Minuten wie bei der althergebrachten Visite verbrachten die Mediziner in der mobilen Visite im Durchschnitt eineinhalb Minuten mehr Zeit mit dem Patienten.

Ein Grund dafür: Das Tablet beschleunigt das Nachschauen von medizinischen Befunden in der elektronischen Patientenakte.

Durchschnittlich 40 Sekunden sparten die Ärzte gegenüber dem Durchblättern der Papierakte ein. "Das ist Zeit, die unseren Patienten zu Gute kommt", sagt Brandt.

Auch in der Vor- und Nachbereitung konnten die Ärzte mit Hilfe des Tablets deutlich Zeit einsparen. Sie verkürzten sich um 18 beziehungsweise 15 Minuten.

"Mit den Tablets muss man im Vorfeld nicht alles recherchieren, weil man es auf dem Gerät schnell nachgucken kann", erklärt Brandt. Die Unterlagen seien immer dort einsehbar, wo man sie gerade benötige.

Flexibler Einsatz am Krankenbett

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts haben dazu geführt, dass an der Klinik für Neurologie weitere Tablets für die Visite bestellt wurden. Denn mit den mobilen Endgeräten haben Ärzte auch die Möglichkeit, Patienten Aufnahmen einer Computertomografie oder andere Bilder zu zeigen und Befunde direkt am Krankenbett zu besprechen.

Für die Zukunft hofft Brandt, dass die Ärzte über die Tablets auch klinische Aufträge wie etwa die Anmeldung von CT vornehmen können.

Die Charité ist indes kein Vorreiter, was die Nutzung von Tablet-PC im Klinik-Versorgungsalltag angeht.

So greifen zum Beispiel in den Krankenhäusern der Knappschaft Ärzte und Pfleger über Tablet-Computer auf Patientendaten zu, Patientenakten auf Papier sind Vergangenheit - allerdings nur auf einzelnen Stationen.

In Zukunft sollen sämtliche Ärzte und Pflegekräfte in den elf Häusern mit mobilen Geräten ausgestattet sein.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 21.08.201511:43 Uhr

Tablets zum desinfizieren?

Lt. Apple dürfen "keine Fensterreiniger, Haushaltsreiniger, Sprays, Lösungsmittel, alkoholhaltigen Reiniger, Ammoniaklösungen oder Scheuermittel" und damit keine üblichen Desinfektionsmittel verwendet werden. Das P. L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI) schweigt sich aus, womit es denn selbst eine bis zu 99-prozentige Erregerreduktion erreicht hat.

99 % entspricht verdächtig der bekannt insuffizienten Sagrotan®-Werbung. Doch was ist mit dem restlichen 1 Prozent der Keime im Krankenhaus- und Praxisbereich? Sind das bevorzugt die hochresistenten, für nosokomiale Erkrankungen bedeutsamen? Bei insgesamt 100 Millionen Keimen auf einem einzigen Tablet-PC bleiben damit immerhin noch 1 Million Keime übrig.

Octenisept®-Lösung zur äußerlichen Anwendung auf Haut und Schleimhaut ist alkoholfrei und wird bei uns für PC-Bildschirme, Tablets, Telefone, Tastaturen, Laptops und Smartphones verwendet. Gegen Computerviren ist das allerdings wenig hilfreich!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Anke Trentin 21.08.201508:46 Uhr

Hygiene?

Es wäre interessant, wie es hier mit der Hygiene aussieht... ein Tablet kann nicht ohne weiteres mit Desinfektionsmittel abgewischt werden und nicht jeder Arzt desinfiziert sich zwischen den Zimmern auch die Hände.

Immerhin weisen schon einige Studien darauf hin, das die PC-Tastaturen die größten Keimschleudern im Krankenhaus sind.

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