Hinweisgeberschutz
Whistleblower-Gesetz: Bund und Länder einigen sich auf Kompromiss
Ab Juni könnte das Hinweisgeberschutzgesetz gelten. Die Union will nach dem Kompromiss nun wohl zustimmen. Für Unternehmen – und damit auch Praxen, Kliniken und Heime – mit einer Belegschaft ab 50 Mitarbeitern würde das bedeuten: Sie müssen künftig interne Meldesysteme aufbauen. Die Fristen orientieren sich dabei an der Betriebsgröße.
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Beschäftigte, die auf Missstände in ihrem Unternehmen aufmerksam machen, sollen künftig besser vor negativen Konsequenzen geschützt werden – etwa, indem die Unternehmen spezielle interne Meldesysteme einrichten.
© Gary Waters/Westend61/picture alliance
Berlin. Nach langem Streit um das geplante Whistleblower-Gesetz haben sich Bund und Länder auf einen Kompromiss geeinigt. Das Gesetz soll Beschäftigte, die auf Missstände in ihrem Unternehmen aufmerksam machen, vor negativen Konsequenzen schützen.
Nach einer Sitzung in der Nacht auf Freitag hieß es aus Teilnehmerkreisen, nach Änderungen in mehreren Punkten könne der Vermittlungsausschuss vom Bundestag und Bundesrat nun am kommenden Dienstag einen formalen Beschluss fassen. Zuerst hatte das „Handelsblatt“ berichtet.
Politikern von CDU und CSU war unter anderem wichtig gewesen, dass sich Hinweisgeber bevorzugt an interne Meldestellen wenden sollen. Auch fürchteten sie zu hohe Kosten für mittelständische Unternehmen durch die ursprünglich vorgesehene Bereitstellung anonymer Meldestellen und Kommunikationskanäle für Rückfragen.
Krings: „Einrichtung anonymer Meldekanäle vom Tisch“
Unionsvertreter zeigten sich nun zufrieden. „Bürokratische Vorschriften wie die Pflicht zur Einrichtung anonymer Meldekanäle sind vom Tisch“, sagte der CDU-Abgeordnete Günter Krings der Deutschen Presse-Agentur. Damit bringe das Gesetz die Interessen von Hinweisgebern, Arbeitgebern und Dritten in einen besseren Ausgleich.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) sagte, die Verhandlungen hätten sich gelohnt. „Mit den von der Union durchgesetzten Änderungen haben wir in Deutschland künftig einen wirksamen Schutz von Hinweisgebern, ohne dass die Unternehmen und öffentlichen Stellen übermäßig belastet werden.“ Damit könne die Union dem Gesetz zustimmen.
Der SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler nannte im „Handelsblatt“ den Verzicht auf anonyme Meldekanäle „verschmerzbar“. Er gehe fest davon aus, dass alle Unternehmerinnen und Unternehmer auch ohne diese gesetzliche Verpflichtung so klug seien, solche Systeme anzuschaffen.
Zwei Fristen werden aufgerufen
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP setzte dem „Handelsblatt“ zufolge durch, dass das Gesetz in vielen Bereichen gilt. Die Regeln sehen demnach vor, dass Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern binnen drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes eigene Hinweisgebersysteme aufbauen müssen. Unternehmen unterhalb der Schwelle haben Zeit bis Dezember. Das Gesetz selbst solle bereits ab Mitte Juni gelten.
Wie berichtet hängt die Umsetzungspflicht für Betriebe – und dazu zählen auch Praxen, Kliniken und Heime mit mittlerer Belegschaftsstärke (50 bis 249 Mitarbeiter) – aber nicht allein am Hinweisgeberschutzgesetz. Vielmehr greift die bereits seit Mitte Dezember 2019 geltende europäische Whistleblower-Richtlinie (EU 2019/1937), die Hinweisgebern nicht nur wirkungsvollen Schutz vor Repressalien verspricht, sondern darüber hinaus Behörden und Unternehmen auferlegt, verbindliche Meldewege und Rückmeldesysteme für Hinweisgeber einzurichten. Die EU-Richtlinie sieht vor, dass kleine und mittlere Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeiter) solche Meldestellen bis spätestens 17. Dezember 2023 vorzuweisen haben. Dieser Termin steht, eigenmächtig verschieben kann Deutschland ihn nicht.
Ein erster Gesetzentwurf war vom Bundesrat gestoppt worden. Die Ampel-Koalition hatte daraufhin ihr Vorhaben in zwei Gesetzentwürfe aufgespalten – um einen Großteil auch ohne Zustimmung der Länderkammer umsetzen zu können. Eine geplante Abstimmung zu dem Thema im Bundestag wurde dann Ende März kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Der nun erreichte Kompromiss ersetzt die zwei bisherigen Gesetzentwürfe. (dpa/eb)