Bundesverfassungsgericht
Zins auf Steuernachzahlungen ab 2014 verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht macht den Weg für Rückforderungen Steuerpflichtiger gegen das Finanzamt in puncto Steuerzins frei. Die Neuregelung gilt für Verzinsungszeiträume ab Anfang 2019.
Veröffentlicht:
Wer in der jüngeren Vergangenheit Nachforderungen an sein Finanzamt geleistet hat, hat nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gute Aussichten, Teile der Zinsleistung wieder erstattet zu bekommen.
© Jörg Vollmer / stock.adobe.com
Karlsruhe. Fehler passieren, auch bei der Steuererklärung. Nach einer Prüfung kann es dann zu Nachforderungen kommen, einschließlich Zinsen. Doch der bislang erhobene Zins von jährlich sechs Prozent ist „evident realitätsfern“ und daher ab 2014 verfassungswidrig, entschied das Bundesverfassungsgericht.
Eine Neuregelung forderten die Karlsruher Richter allerdings erst für Verzinsungszeiträume ab Anfang 2019. Ärzte, die für Jahre zwischen 2014 bis 2018 Einspruch eingelegt haben, können aber auch hier mit einer Erstattung rechnen.
Deren Höhe hängt von der noch zu treffenden Neuregelung ab. Hierfür gab das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber Zeit bis Ende Juli 2022. Zu Einsprüchen war es insbesondere gekommen, nachdem der Bundesfinanzhof in München 2018 die Steuerzinsen für 2015 kritisiert hatte.
Laut Abgabenordnung müssen Steuerpflichtige Steuer-Nachzahlungen mit einem halben Prozent pro Monat verzinsen, also sechs Prozent pro Jahr. Der Zinslauf beginnt allerdings frühestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Steuerjahres.
Verzinsung von Steuernachzahlungen prinzipiell zulässig
Geklagt hatten zwei Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern. Im Zuge von Außenprüfungen waren Nachforderungen bei der Gewerbesteuer erhoben worden – samt gesetzlichem Zins. Mit seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung, hat das Bundesverfassungsgericht nun also entschieden, dass dieser Zins bis Ende 2013 noch verfassungsgemäß ist, ab 2014 dagegen nicht mehr. In den konkreten Fällen geht es um Nachforderungen bei der Gewerbesteuer, der Beschluss gilt aber auch für Zinsen bei anderen Steuerarten.
Im Grundsatz ist danach die Verzinsung von Steuernachzahlungen zulässig. Damit verbundene Ungleichbehandlungen seien durch das Ziel gerechtfertigt, den mit der späten Zahlung verbundenen Vorteil auszugleichen.
Der gesetzliche Zins von einem halben Prozent pro Monat war 1990 festgelegt worden und gilt umgekehrt auch für Steuererstattungen. Damals habe dies den Verhältnissen am Kapitalmarkt entsprochen, betonte das Bundesverfassungsgericht. Nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 habe sich aber „ein strukturelles Niedrigzinsniveau entwickelt“. Der frühere Diskont- und heutige Basiszins sei seit 2013 sogar negativ. Dies habe sich bis 2013 aber noch nicht deutlich verfestigt.
Nachwehen der Finanzkrise von 2008
„Im Jahr 2014 hatte sich der jährlich sechsprozentige Zinssatz bereits so weit vom tatsächlichen Marktzinsniveau entfernt, dass er schon in etwa das Doppelte des höchsten überhaupt noch erzielbaren Habenzinssatzes ausmachte“, heißt es weiter in dem Karlsruher Beschluss. Auch die Kreditzinsen seien entsprechend gefallen.
Daher erweise sich der Zinssatz von jährlich sechs Prozent „spätestens seit dem Jahr 2014 als evident realitätsfern“. Den möglichen Vorteil einer späten Steuerzahlung bilde er nicht mehr annähernd angemessen ab.
Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17