Nanopartikel bremsen Tumorwachstum
Mit Melanin gegen Krebs
Forscher nutzen die Fähigkeit von Melanin, Licht aufzunehmen und in Wärme umzuwandeln: Sie haben mit Melanin beladene Membran-Nanopartikel entwickelt, die sowohl in der Tumordiagnostik als auch in der Tumortherapie eingesetzt werden können.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Melanin schützt uns ja vor Sonnenstrahlen, indem er Lichtenergie aufnimmt und in Wärme umwandelt. Diese Fähigkeit lässt sich effektiv für die Tumordiagnose und -therapie einsetzen, wie Forscher der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München berichten (Nat Comm 2019; 10:1114).
Ein Team um Dr. Vipul Gujrati hat einen mit Melanin beladenen Membran-Nanopartikel hergestellt, der sowohl zur Diagnose von Tumoren als auch zu deren photothermalen Therapie eingesetzt werden kann.
Vielversprechender Ansatz
Nanopartikel gelten als vielversprechender Ansatz für die Tumorbekämpfung, weil Tumorgewebe sie aufgrund eines durchlässigeren Blutgefäßsystems leichter aufnimmt als gesunde Zellen, teilt die TUM mit.
Ein Beispiel für Nanopartikel sind kleine Bläschen, die von Bakterienmembran umgeben sind und als „Outer Membrane Vesicles“ (OMVs) bezeichnet werden.
Die 20-200 Nanometer großen OMV haben viele Vorteile: Sie sind biologisch verträglich und abbaubar, lassen sich leicht und günstig auch in großem Maßstab in Bakterien produzieren, zum Beispiel mit medikamentösen Wirkstoffen beladen und einfach verabreichen.
Ein solches OMV haben die Forscher entwickelt und dabei sowohl die Eigenschaften von OMVs als auch die von Melanin genutzt. „Melanin absorbiert Licht auch im Infrarot-Bereich sehr gut.
Genau dieses Licht nutzen wir in unserem bildgebenden Verfahren Optoakustik für die Tumordiagnostik. Gleichzeitig setzt Melanin die aufgenommene Energie in Wärme um, die es wieder abstrahlt. Und Wärme wird in klinischen Studien für die Tumorbekämpfung eingesetzt“, wird Gujrati in der TUM-Mitteilung zitiert.
Die Optoakustik kombiniert dabei die Vorteile von optischer Bildgebung und Ultraschalltechnik: Schwache Laserimpulse erwärmen das Gewebe geringfügig, woraufhin es sich minimal und kurzzeitig ausdehnt. Zieht es sich beim Abkühlen wieder zusammen, entstehen Ultraschallsignale.
Je nach Art des Gewebes unterscheiden sich die Signale. Diese erfassen die Wissenschaftler dann mit entsprechenden Detektoren und „übersetzen“ sie in dreidimensionale Bilder. Mithilfe von Sensormolekülen lässt sich die Spezifität und Genauigkeit der Technik weiter steigern.
Wärme reduziert Tumorwachstum
Das Team hatte aber zuerst ein Problem zu lösen, berichtet die TUM. Melanin ist schlecht wasserlöslich und damit schwer zu verabreichen. Hier kamen die OMVs ins Spiel: Die Forscher veränderten Bakterien so, dass sie Melanin produzierten und in ihre Membran und den daraus entstehenden Nanopartikeln einlagerten.
Dann testeten sie die schwarzen Nanopartikel in Mäusen, die Tumore im Brustbereich hatten. Die Partikel wurden direkt in den Tumor gespritzt und dieser mit Infrarot-Laserimpulsen im Zuge der optoakustischen Untersuchung angeregt.
Gujrati und sein Team stellten fest, dass sich die OMVs als Sensormoleküle für diese Diagnosetechnik eigneten, weil sie kontrastreiche und scharfe Bilder des Tumors lieferten. Zudem waren sie auch für photothermale Therapieansätze einsetzbar: Dabei wird das Tumorgewebe mit stärkeren Laserimpulsen erhitzt, sodass die Krebszellen absterben.
Durch das Melanin erwärmte sich das Tumorgewebe von 37°C auf bis zu 56°C, während Kontrolltumore ohne Melanin sich nur auf bis zu 39°C erwärmten.
Im Verlauf von zehn Tagen nach der Behandlung wuchsen die Tumore deutlich langsamer als in der Kontrollgruppe, die keine Melanin-OMVs erhalten hatten. Zudem verursachten die Partikel eine leichte Entzündung im Tumor, was das Immunsystem aktivierte.
„Unsere Melanin-Nanopartikel sind ‚Theranostics‘ – sie könnten diagnostisch und therapeutisch eingesetzt werden“, resümiert Studienautor Professor Vasilis Ntziachristos. Das Team möchte die OMVs nun weiterentwickeln, damit sie auch klinisch genutzt werden können. (eb)