Bei Brust- und Ovarialkrebs
Kurzzeitfasten macht Chemo wohl wirksamer und verträglicher
Möglicherweise gelingt es bei Frauen mit Brust- oder Ovarialkrebs, die Chemotherapie effektiver und verträglicher zu machen, indem sie während der Krebsbehandlung kurzzeitig fasten. Neue Hinweise dafür liefert eine Pilotstudie aus Berlin.
Veröffentlicht:BERLIN. Aus Zell- und Tierversuchen haben Wissenschaftler Belege dafür gefunden, dass Fasten normale Zellen, aber nicht Krebszellen vor der Toxizität chemotherapeutisch wirksamer Substanzen schützt. Erste kleinere Studien erbrachten Hinweise, dass sich tatsächlich damit Nebenwirkungen verringern lassen.
Berliner Ärzte um Stephan P. Bauersfeld und Professor Andreas Michalsen unter anderem von der Charité – Universitätsmedizin und der Tagesklinik des Immanuel-Krankenhauses in Berlin prüften nun in einer Pilotstudie im Cross-over-Design, welchen Effekt Kurzzeitfasten bei Patientinnen mit einem Mamma- oder Ovarialkarzinom während der Chemotherapie auf die Lebensqualität hat (BMC Cancer 2018; 18: 476).
Studie zum Kurzzeitfasten
- Frage: Welchen Einfluss auf die Lebensqualität hat bei Frauen mit gynäkologischen Tumoren ein Kurzzeitfasten während der Chemotherapie?
- Antwort: Offenbar wird die Lebensqualität durch das Fasten verbessert und die Chemotherapie besser vertragen.
- Bedeutung: Kurzzeitfasten während einer Chemotherapie könnte möglicherweise helfen, die Behandlung verträglicher zu machen, was jedoch durch größere Studien untermauert werden muss.
- Einschränkung: Es handelt sich um eine Pilotstudie mit nur wenigen Patientinnen.
Für die Studie ausgewählt wurden 50 Frauen, die mindestens 18 Jahre alt waren und einen BMI nicht unter 19 kg/m2 hatten. Die Lebenserwartung betrug mehr als drei Monate. Unter anderem Frauen mit Typ-1-Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen waren zuvor ausgeschlossen worden.
Für die Endauswertung standen schließlich die Befunde von 29 Frauen mit primärem und einer Frau mit fortgeschrittenem Brustkrebs sowie vier Frauen mit einem Ovarialkarzinom zur Verfügung. Zwischen den Studienteilnehmerinnen gab es mit Blick auf wichtige Parameter wie Menopause, Nodalstatus, Differenzierungsgrad des Tumors, Chemotherapie und BMI keinen signifikanten Unterschied.
Fastendauer von 60 Stunden
Wegen der Krebserkrankung wurden die Patientinnen unter anderem mit Taxanen, Platinverbindungen, Methotrexat, Fluorouracil und Antikörpern behandelt. Das Kurzzeitfasten erfolgte nach dem Vorgehen, wie es in der Klinik seit Jahren praktiziert wird und bei Patienten mit Rheuma oder chronischen Schmerzen evaluiert worden ist.
Begonnen wurde das Fasten 36 Stunden vor Beginn der Chemotherapie. Es endete 24 Stunden nach Ende der Chemotherapie, bestehend aus sechs Behandlungszyklen. Die Fastendauer lag somit bei 60 Stunden.
Mithilfe von Fragebögen wurde die Lebensqualität der Patientinnen pro Chemotherapiezyklus an jeweils drei Zeitpunkten erfasst, und zwar auf Basis des FACIT-Instruments (Functional Assessment of Chronic Illness Therapy).
Minimale Energiezufuhr während des Fastens
Während des Fastens war es den Frauen erlaubt, Wasser, Kräutertee ad libitum sowie 2 x 100 ml Gemüsesaft und Gemüsebrühe mit einer täglichen Zufuhr von maximalen 350 kcal zu sich nehmen. 18 Frauen fasteten in der ersten Hälfte der sechs Therapiezyklen, die übrigen 16 Frauen wurden angewiesen, in dieser Phase eine normokalorische mediterrane Kost zu verzehren. Anschließend wechselten die Studienteilnehmerinnen in die jeweils andere Gruppe.
Wie die Ärzte berichten, vertrugen die Frauen das Kurzzeitfasten gut. Einen Einfluss auf den BMI habe es nicht gehabt. Die Lebensqualität sei weniger stark beeinträchtigt worden als in der Vergleichsgruppe ohne Fasten. Zudem sei eine Fatigue während der ersten Woche nach der Chemotherapie in der Gruppe mit Fasten vermindert worden, in der Vergleichsgruppe dagegen nicht.
Bauersfeld und Kollegen weisen darauf hin, dass sich die Ergebnisse nur auf ähnliche Patienten wie in der Studie übertragen lassen, nicht dagegen etwa auf Patienten mit einem BMI unter 19 oder solche, die kürzlich abgenommen haben. Da es nur eine kleine Studie gewesen sei, seien nungrößere randomisierte Studien erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigten.
"differential stress resistance"
Für die unterschiedliche Empfänglichkeit für eine Chemotherapie von gesunden Zellen und Krebszellen wurde der Begriff "differential stress resistance" geprägt. Dem liegt nach Angaben von Michalsen der Befund zugrunde, dass gesunde Zellen bei Nahrungsdeprivation Signalwege des Wachstums herunterregulieren und metabolische Erhaltungs- und Reparaturmechanismen fördern.
Gleichzeitig seien Krebszellen zu dieser protektiven Reaktion aufgrund der unkontrollierten Aktivierung von Wachstumssignalwegen durch die onkogenen Mutationen nicht in der Lage (Forsch Komplementmed 2015; 22: 405–409). Daraus resultiere "in der Situation der Chemotherapie mit weitgehender Glukose- und Proteindeprivation eine Protektion der gesunden Körperzellen und eine vermehrte Vulnerabilität der Krebszellen".