Offener Brief

Fehlernährung und Adipositas: Ärzte machen Druck

Ein breites Bündnis aus 15 Ärzteverbänden, Fachorganisationen und Krankenkassen hat nun die Bundesregierung aufgefordert, wirksame, ressortübergreifende Maßnahmen gegen Fehlernährung zu ergreifen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Gemeinsam aktiv (von links nach rechts): Oliver Huizinga, Foodwatch, Dr. Dietrich Garlichs, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Dr. Eckart von Hirschhausen und Dr. Martin Litsch, AOK Bundesverband, überreichen den offenen Brief an die Bundesregierung.

Gemeinsam aktiv (von links nach rechts): Oliver Huizinga, Foodwatch, Dr. Dietrich Garlichs, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Dr. Eckart von Hirschhausen und Dr. Martin Litsch, AOK Bundesverband, überreichen den offenen Brief an die Bundesregierung.

© HL

BERLIN. Insgesamt 2061 Ärzte, darunter mehr als 1300 Pädiater, 222 Diabetologen und 58 Medizinprofessoren, haben Bundeskanzlerin Angela Merkel in  in einem Offenen Brief an die Bundesregierung  aufgefordert, "ernst zu machen" mit der Prävention von Fettleibigkeit, Diabetes und anderen chronischen Krankheiten. Initiiert worden war die Unterschriftenaktion vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Deutschen Diabetes Gesellschaft und Foodwatch.

Diese vier Maßnahmen soll die Bundesregierung demnach nun umsetzen:

  1. eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung in Form einer Nährwert-Ampel,
  2. Beschränkungen der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung, insbesondere auch im Internet,
  3. die Durchsetzung verbindlicher Standards für die Schul- und Kitaverpflegung sowie
  4. steuerliche Anreize für gesunde Ernährung, etwa die Umsatzsteuerbefreiung für Obst und Gemüse sowie eine Sonderabgabe für Limonaden.

Die Autoren verweisen auf den WHO-Vorschlag, eine 20-prozentige Abgabe auf stark gesüßte Getränke zu erheben: Diese könnte den Konsum um ebenfalls ein Fünftel reduzieren. Deutschland solle sich bei der Besteuerung ungesunder Produkte Staaten wie Großbritannien anschließen, das seit April eine solche Steuer erhebt.

"Als Kinderärzte werden wir heute mit Krankheiten konfrontiert, die ich in meiner Weiterbildung nie gesehen habe: Altersdiabetes, hoher Blutdruck, Muskel- und Skeletterkrankungen, die auf Übergewicht zurückgehen", konstatierte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. "Wir haben die Geduld verloren", kritisierte er die Untätigkeit der Politik.

Nach der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) des Robert Koch-Instituts sind 15 Prozent der Kinder zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig, 6,3 Prozent adipös. Im aktuellen RKI-Gesundheitsbericht wird die Zahl der an Diabetes erkrankten Menschen auf 6,7 Millionen geschätzt. Als wesentliche Ursache gilt Fehlernährung. Nach dem KiGGS-Modul zur Ernährung trinken sechs- bis elfjährige Kinder doppelt so viel Süßgetränke und verzehren halb so wenig Obst und Gemüse wie vom Forschungsinstitut für Kinderernährung empfohlen. Bereits 2013 habe das RKI auf das "hohe Präventionspotenzial bezüglich des Konsums zuckerhaltiger Getränke insbesondere für Kinder und Jugendliche" hingewiesen.

Aus Sicht der Ärzteschaft werde die Regierung mit ihrer Haltung, die vor allem auf Selbstverpflichtung der Industrie und Freiwilligkeit setzt, der Problematik nicht gerecht.

Steuersenkung für gesundes Essen?

Die zusätzlich eingenommenen Steuer sollen "Eins zu Eins der Förderung gesunder Ernährung beziehungsweise der Prävention chronischer Krankheiten zu Gute kommen", so der Offene Brief. Ausgewogene Lebensmittel könnte die Regierung beispielsweise geringer besteuern. (Mitarbeit ajo)

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Kommentare
Dr.med. Elisabeth Grunwald 03.05.201813:59 Uhr

Die Zuckersteuer kann dazu führen

weniger Zucker in Lebensmitteln zu verwenden. Weiß nicht, wieso Zucker in fast allen Müslis ist und nicht zu knapp. Warum gibt es praktisch keine Süsspeisen und Milchprodukte mehr mit Zuckerersatzstoffen ?
Haben vor 20 Jahren ( war ich 50 Jahre alt)mal 15 kg abgenommen von 75 kg auf 60 kg bei 178 cm. Das hat mir dann besser gefallen und hat auch dazu geführt, dass ich meine erforderliche Kalorienmenge von 1200 kcal/ Tag feststellen konnte. Obwohl ich Süßes liebe, nehme ich seitdem nur noch Süßstoffe. Schmeckt fast genauso gut und es fällt viel leichter, das Gewicht zu halten.
Das Theater neuerdings um Süsstoffe und auch Fruktose finde ich total überzogen. Es geht darum mit der überzähligern Kalorienzufuhr aufzuhören oder gar nicht anzufangen. Dazu hilft auch Süsstoff. Sogenanntes gesundes Essen- was ist das überhaupt-? Die Dosis macht das Gift. Mann kann auch dadurch unbegrenzt fett werden.
Kaufe schon seit 20 Jahren weder Zucker noch Streichfett, außer wenn ich Besuch habe. Der hohe versteckte Zuckergehalt in vielen Lebensmitteln wo er gar nicht erforderlich wäre, stört mich schon lange.

Dr. Gert Krabichler 03.05.201811:12 Uhr

Medialer Klamauk, der am Thema vorbegeht

Hier profilieren sich mal wieder einige Leute, die als NGO oder im Fernsehen ihr Geld machen und mit diesem Populismus ihr Geld verdienen. Warum sagen wir denn nicht einfach, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und nicht der Staat an allem Schuld ist? Statt einer Zuckersteuer und Verschiebung der Verantwortung an den Staat sollte man lieber den Krankenkassenbeitrag am BMI festmachen und so die Verantwortung auf den Bürger übertragen. Süßes ist nicht schlecht und ungesund, sondern nur die Menge die jemand undiszipliniert in sich hineinstopft. Mache ich viel Sport und Bewegung, dann kann ich auch mehr Kalorien zu mir nehmen, ohne Dick zu werden. Also meine Bitte, nehmt den Bürger in die Verantwortung!
Noch etwas zur Lebensmittelkennzeichnung: es sind immer wieder die gleichen, die sich hier mit unsinnigen Forderungen profilieren wollen. Die meisten Verbraucher schauen doch gar nicht auf die Kennzeichnung, und wenn sich jemand dafür interessiert, dann sind alle wichtigen Angaben vorhanden. Und die Kalorien sind immer sehr einfach zu lesen! Am Ende hängt das Übergewicht vom Verhältnis Input zu Output ab, d.h. viele Kalorien aufnehmen ist dann kein Problem, wenn ich viele Kalorien durch Bewegung verbrenne! Ich spreche aus eigener Erfahrung und habe bei gutem Essen und Freude an Schokolade heute 10 Kilo weniger Gewicht als vor 20 Jahren.

Roswitha Poppel 03.05.201808:43 Uhr

Eine kompetente Initiative

Auf soviel Druck von kompetenter und prominenter Seite muss die Bundesregierung reagieren. Schön, dass auch die unermüdlich informierende und recherchierende Initiative foodwatch mit ins Boot geholt wurde (oder umgekehrt ?).Von Seiten der Politik wird nur die Lebensmittellobby gestärkt und schöngeredet.

Dr. Christina Dietz 02.05.201817:49 Uhr

offener Brief an Bundesregierung

Ich freue mich, dass endlich eine Initiative in diese Richtung gestartet wurde-und fände es gut, wenn viele Ärzte aus der BRD diesen Brief auch unterschreiben könnten.
Die Küngelei mit der Wirtschaft soll endlich aufhören, das Interesse an gesunder Bevölkerung ist offenbar geringer als an der ständigen Erhöhung des Profits und des Wirtschaftswachstums.
Mit Appellen zur Selbstverantwortung ist zu wenig getan, das haben wir ja schon oft erlebt (Impfen, freiwillige Geschwindigkeitskontrolle,weniger Auto fahren, regional und fair einkaufen, gesund kochen)!
Die Masse der Verbraucher ist nur über die Kosten zu belehren, den "gesunden Menschenverstand" haben die Werbung und Lifestyle zerstört!

Sabine Schaal 02.05.201813:52 Uhr

Zuckersteuer..

Ich lese und bin entsetzt. Was ist das für ein neuer Unsinn mit der Zuckersteuer. Ersetzt wird der Zucker durch Zuckeraustauschstoffe, die noch süßer sind und früher als Mastmittel genutzt wurden. Ich selbst reagiere auf einige Austauschzucker mit einer Unverträglichkeit. Die Lebensmittel werden ja nicht weniger süß, ganz Im Gegenteil. Für mich ist das eine Zucker Mafia, die Ihre Austauschzucker im großen Stil verkaufen wollen. Am Ende geht es doch gar nicht um den Verbraucher und seine Gesundheit. Es geht immer um die, die etwas verkaufen wollen. Die Verbraucher sollten mehr zur Selbsverantwortung herangezogen werden und nicht immer die Schuld bei den Anderen suchen. Sport und maßvolle Ernährung helfen immer weiter. Für mich ist normaler Zucker durch Zuckeraustauschstoffe weder verhandelbar noch akzeptabel.

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