Ärzten steht neue Konkurrenz ins Haus
Eine engere Verzahnung der Arbeit von Ärzten und Angehörigen der medizinischen Fachberufe wünschen sich beide Seiten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat jetzt in der Frage der Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen Fakten geschaffen.
Veröffentlicht:BERLIN (af/sun). Seit drei Jahren verhandelt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) über die Heilkundeübertragungs-Richtlinie.
Dabei geht es um die Delegation, inzwischen aber auch um die Substitution, ärztlicher Leistungen durch Angehörige der Pflegeberufe. Die werden aller Voraussicht nach demnächst in Modellvorhaben wie eine neue Art von Leistungserbringern agieren.
Was der Ausschuss ins Stellungnahmeverfahren verabschiedet hat, ist für die Seite der niedergelassenen Ärzte unbefriedigend.
Nachdem die niedergelassenen Ärzte vor allem zur Substituierung ärztlicher Leistungen stets nein gesagt hatten, versuchten sie kurz vor Toresschluss noch, die Medizinischen Fachangestellten (MFA) den Pflegekräften gleichstellen zu lassen.
Auch sie sollten die Möglichkeit erhalten, unter Aufsicht der Ärzte selbstständig Heilkunde auszuüben. Das ging schief: Weil die MFA im Gesetzestext nicht auftauchen, kippte der Vorsitzende des Ausschusses, Dr. Rainer Hess, die Arzthelferinnen aus der Beschlussvorlage.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) reagierte umgehend. Dann solle der Gesetzgeber den Partnern des Bundesmantelvertrages, also KBV und GKV-Spitzenverband, eine Richtlinienkompetenz übertragen, um auch für den vertragsärztlichen Bereich Modellvorhaben nach Paragraf 63 SGB V zu ermöglichen, meldete sich KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller zu Wort.
Die Aktivitäten auf den letzten Drücker haben einen Grund: Die Richtlinie wird unangenehme Fakten schaffen. "De facto handelt es sich um die Substitution ärztlicher Tätigkeiten", heißt es in Ärztekreisen. Aus den Pflegekräften werden Leistungserbringer.
An dieser Stelle entsteht Konkurrenz. In den Modellverträgen zwischen Kassen und Pflegekräften, die nach Inkrafttreten der Richtlinie zu erwarten sind, seien Ärzte nicht beteiligt, auch nicht die "behandelnden Ärzte", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, der "Ärzte Zeitung".
Die Kassen kämen dem Ziel näher, "einen eigenständigen neuen Sektor in der ambulanten Behandlung zu schaffen in der Hoffnung, hierbei teure ärztliche Leistungen durch billigere pflegerische Leistungen zu substituieren".
Bei der DKG sieht man die Substitution ärztlicher Leistungen allerdings gelassener. Im Krankenhaus blieben ja alle Beteiligten als Angestellte weisungsgebunden.
Nicht nur die MFA tauchen in der Richtlinie nicht auf. Auch die Angehörigen der anderen medizinischen Fachberufe. Gut finden deren Vertreter das nicht.
"Wir hätten uns von den Ärzten mehr Mut gewünscht. In der Delegation wurden ja durchaus Zugeständnisse gemacht. Beim Thema Substitution wird hingegen sofort jede Diskussion beendet", sagte Arndt Longrée, Vorsitzender des Deutschen Verbands der Ergotherapeuten, der "Ärzte Zeitung".
Zugeständnisse seien aber mit Blick auf den drohenden Ärztemangel sinnvoll. Die Fachberufe könnten ihren jeweiligen Anteil an der Behandlung leisten und sollten dafür auch mehr Spielraum bekommen.
Dass darunter die Qualität leiden könnte, sieht Longrée nicht. "Die Modellprojekte müssen eine sehr hohe Hürde nehmen, alleine was die Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit und Patientensicherheit angeht", so Longrée.
Der Verband wünscht sich in diesem Zusammenhang mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der einzelnen Fachberufe. Die immer noch sehr hohe Anzahl der Arztkontakte könnte unter anderem gesenkt werden.
Zudem könnten durch einen Direktzugang Doppeluntersuchungen vermieden werden - und das könnte dem Gesundheitssystem langfristig Geld sparen. "Es ist für uns daher mehr als unbefriedigend, nur auf Widerstand zu stoßen."
Eine Broschüre der bei der Bundesärztekammer (BÄK) angesiedelten Fachberufekonferenz zur Prozessoptimierung findet bei den Fachberufen sehr großen Anklang (wir berichteten kurz).
Diese zeige einen optimierten Verlauf, wer wann eingebunden wird. Aus dieser Broschüre soll nun eine Checkliste für den Alltag erstellt werden.
Und so steht es im Gesetz
Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung, § 63, 3b und 3c:
§ 63 (3b) "Modellvorhaben (...) können vorsehen, dass Angehörige der im Krankenpflegegesetz und im Altenpflegegesetz geregelten Berufe 1. die Verordnung von Verbandsmitteln und Pflegehilfsmitteln sowie 2. die inhaltliche Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege einschließlich deren Dauer vornehmen, soweit (...) es sich bei der Tätigkeit nicht um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt." (...)
§ 63 (3c) "Modellvorhaben können eine Übertragung der ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt und für die die Angehörigen der im Krankenpflegegesetz geregelten Berufe (...) qualifiziert sind, auf diese vorsehen."(...)