Bundeskabinett

Neuregelungen zur Organspende beschlossen

Die Organspende in Deutschland wird auf neue Füße gestellt. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Spahn durchgewunken.

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Das gespendete Organ für einen Nierenkranken: Die Zahl der Organspender in Deutschland hat einen Tiefpunkt erreicht.

Das gespendete Organ für einen Nierenkranken: Die Zahl der Organspender in Deutschland hat einen Tiefpunkt erreicht.

© horizont21 / stock.adobe.com

BERLIN. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zugestimmt.

Das Gesetz sieht etliche Neuregelungen für Kliniken vor, um zu mehr Organspenden in Deutschland zu kommen. Es stärkt die Stellung des Transplantationsbeauftragten und sichert seine Finanzierung. Zudem erhalten Kliniken eine leistungsgerechte Vergütung für die Vorbereitung zur Organspende.

Außerdem sollen potenzielle Organspender besser identifiziert werden, und die Betreuung der Angehörigen von Organspendern wird geregelt. Das Gesetz soll in der ersten Jahreshälfte 2019 in Kraft treten. Der Bundesrat ist nicht zustimmungspflichtig.

Jens Spahn teilte nach dem Beschluss des Kabinetts mit: "Wir sollten das Gesetz zügig beraten und beschließen. Denn es wird Leben retten. Das sind wir den zehntausend Menschen schuldig, die auf ein Spenderorgan warten.“

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"Schlüssel liegt bei Kliniken"

"Das Hauptproblem bei der Organspende ist nicht die Spendebereitschaft. Ein entscheidender Schlüssel liegt vielmehr bei den Kliniken. Ihnen fehlen häufig Zeit und Geld, um mögliche Organspender zu identifizieren. Da setzen wir jetzt ganz konkret an", betonte Spahn in einer Mitteilung.

Geplant sind folgende organisatorische und finanzielle Verbesserungen:

Transplantationsbeauftragte: Sie müssen für ihre Arbeit freigestellt werden. Je zehn Intensivbetten in Entnahmekrankenhäusern beträgt die Freistellung 0,1 Stellen.

Hat ein Entnahmekrankenhaus mehr als eine Intensivstation, muss für jede Intensivstation mindestens ein Transplantationsbeauftragter bestellt werden. Der Aufwand muss von den Krankenkassen vollständig refinanziert werden, die korrekte Mittelverwendung muss von den Kliniken nachgewiesen werden.

Zusätzlich zu den 18 Millionen Euro, die Kassen schon jetzt für die Finanzierung von Transplantationsbeauftragten ausgeben, rechnet das Bundesgesundheitsministerium mit einem Mehraufwand von 24 Millionen Euro, an denen sich die PKV mit 1,7 Millionen Euro beteiligen kann.

Stärkere Rechte des Transplantationsbeauftragten: Er muss auf Intensivstationen hinzugezogen werden, wenn Patienten nach ärztlicher Beurteilung für eine Spende in Betracht kommen. Es gibt ein Zugangsrecht zu Intensivstationen. Er muss alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotenzials erhalten.

Vergütung der Entnahmekrankenhäuser: Sie wird so gestaltet, dass der gesamte komplexe Prozess der Organspende refinanziert wird. Neben einer Grundpauschale erhalten Kliniken differenzierte Pauschalen zur Abgeltung intensivmedizinischer Maßnahmen und Prozeduren der Organentnahme.

Ferner gibt es einen Zuschlag dafür, dass bei der Organspende die Infrastruktur des Krankenhauses in besonderer Weise in Anspruch genommen wird. Das Bundesgesundheitsministerium kalkuliert die zusätzlichen Kosten auf etwa zehn Millionen Euro, von denen die PKV 700.000 Euro übernehmen könnte.

Flächendeckender neurochirurgischer und neurologischer konsiliarärztlicher Rufbereitschaftsdienst: Er muss zu jeder Zeit und flächendeckend den nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, Kleinhirns und des Hirnstamms feststellen. GKV, Bundesärztekammer und Deutsche Krankenhausgesellschaft werden verpflichtet, im Einvernehmen mit der PKV bis spätestens zum 31. Dezember 2019 eine geeignete Einrichtung mit der Organisation dieses Bereitschaftsdienstes zu beauftragen.

Kommt ein Vertrag nicht zustande, soll dies nun in einer Rechtsverordnung geregelt werden können – im Referentenentwurf war noch eine Schlichtungslösung vorgesehen. Die Kosten schätzt das Bundesgesundheitsministerium auf etwa 1,5 Millionen Euro, von denen die PKV sieben Prozent übernehmen könnte.

Angehörigenbetreuung: Im Unterschied zum Referentenentwurf enthält der Kabinettsbeschluss nun einen eigenen Paragrafen 12a, der die Angehörigenbetreuung präzisiert. Zuständig ist die Koordinierungsstelle.

Sie organisiert den möglichen Austausch von anonymen Schreiben zwischen dem Organempfänger und den nächsten Angehörigen des Organspenders, zum Beispiel über die Ergebnisse der Organtransplantation. Voraussetzung ist die Einwilligung aller Beteiligten.

Das Gesetz zielt darauf ab, mehr Organspender zu gewinnen. Die Zahl der Organspender hatte im vergangenen Jahr einen Tiefpunkt von 797 erreicht (siehe nachfolgende Grafik).

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Unabhängig von dem Gesetz wird im Bundestag über neue Organspende-Regeln diskutiert. Dabei will eine Gruppe von Abgeordneten die Einführung der Widerspruchslösung verhindern.

In einer ersten Reaktion hat die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, die Inhalte des Gesetzentwurfs begrüßt.

Sie forderte allerdings im weiteren Gesetzgebungsverfahren Nachbesserungen: Die Bundesregierung müsse von ihrer Kompetenz Gebrauch machen, ein zentrales Register für Organspende-Erklärungen einzurichten.

Tausende unterstützen Petition

Für die Widerspruchslösung kämpft hingegen der nierentransplantierte Thomas Müller. Er hat im März 2018 dazu eine Petition gestartet, wie es in einer Mitteilung heißt.

"Das neue Organspende-Gesetz kann nur ein Anfang sein. Ohne die Widerspruchslösung ändert sich nicht genug für mich und für die rund 10.000 anderen betroffenen Menschen, die derzeit in Deutschland auf eine Organspende warten. Wir brauchen die Widerspruchslösung, und zwar besser früher als später", wird Müller zitiert.

Den Angaben zufolge wurden ihm 2008 eine Niere und Bauchspeicheldrüse transplantiert. Da seine gespendete Niere nicht mehr richtig arbeitet, ist er dringend auf eine weitere Transplantation angewiesen.

Müllers Initiative wird von Tausenden unterstützt. An der Petition sollen bereits über 107.000 Menschen unterschrieben haben. Am 21. August übergab er nach eigenen Angaben dem Bundesgesundheitsministerium mehr als 80.000 Unterschriften.

Patientenschützer: An Datenschutz denken

Unterdessen haben Patientenschützer vor Eingriffen in den Datenschutz und die Bürgerrechte schwerstkranker Menschen bei neuen Regelungen zu Organspenden in Kliniken gewarnt.

Ohne Zweifel sei es wichtig, die Organisation der Krankenhäuser mit Intensivstation zu stärken, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur.

Dort würden mögliche Organspender erkannt und gegebenenfalls gemeldet. „Jedoch müssen hierbei stets die Patientenrechte gewahrt bleiben.“

Nicht zu akzeptieren sei daher, wenn Transplantationsbeauftragte der Kliniken schon vor Feststellen des Hirntodes uneingeschränkt Einsicht in Patientenakten nehmen dürften.

Akteneinsicht dürfe es nur mit Zustimmung des Betroffenen oder eines Bevollmächtigten geben, forderte Brysch. (HL/ths/dpa)

Wir haben den Beitrag aktualisiert und verlängert am 01.11.2018 um 17:14 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ein wichtiger Schritt ist gemacht

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