Leitantrag
Ärzte sehen Gefahren durch Kommerzialisierung
Das Gesundheitswesen wird für private Investoren immer interessanter. Auf dem Ärztetag wird deutlich, welche Folgen das bereits hat. Junge Ärzte, die eine Praxis kaufen wollen, können bei den Preisen nicht mehr mithalten.
Veröffentlicht:Berlin. Nicht nur in den Kliniken, auch in der ambulanten Versorgung ist das private Kapital auf dem Vormarsch. In der verfassten Ärzteschaft kommen diese Entwicklungen nicht gut an. Beim 125. Deutschen Ärztetag zeigte sich eine eindeutige Haltung gegen Kommerzialisierung.
Die künftige Bundesregierung und die politisch Verantwortlichen in den Ländern seien aufgefordert, diese ärztliche Grundhaltung im Sinne des Schutzes von Patientinnen und Patienten vor „sachfremden Einflussnahmen“ mit konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen zu unterstützen, hieß es schon im Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer.
Dazu komme, dass Renditen aus Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung generiert würden. Das sei nicht das Gleiche wie der Lohn eines niedergelassenen Arztes. Schon die Unterstellung, dass das Gewinnerzielungsinteresse von niedergelassenen Ärzten identisch sei mit den Profitinteressen von Investoren sei eine Unverschämtheit, sagte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt.
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Gesetzgeber soll eingreifen
Die Feststellungen auf dem Ärztetag klangen eindeutig: Es häufen sich Übernahmen von Arztpraxen und anderen Gesundheitseinrichtungen durch private Investoren. Im Leitantrag wurde diese Entwicklung als mögliche Gefahr adressiert: Medizinische Entscheidungen könnten in der Folge zugunsten einer kommerziell motivierten Leistungserbringung beeinflusst werden. Der Ärztetag forderte die Gesetzgeber in Bund- und Ländern auf, den Einfluss von Fremdkapitalgebern auf die ambulante Versorgung zurückzudrängen.
Auf versorgungsschädliche Entwicklungen durch das Vordringen kapitalgetriebener Interessen verwiesen mehrere Rednerinnen und Redner. Es werde zunehmend beobachtet, wie Praxen aufgekauft beziehungsweise von Ärzten zum Verkauf angeboten werden, sagte Dr. Beatrix Kaltenmaier, Brandenburg. Die Niederlassung gehe damit „kaputt“. Junge Kolleginnen und Kollegen könnten mit den aufgerufenen Preisen nicht mithalten.
Angebote zum Siebenfachen der Marktpreise
Es gehe um den „Verkauf unseres Systems“, warnte auch Dr. Wolfgang Krombholz, Bayern. Der Nachwuchs könne sich in freiwerdende Sitze kaum noch einkaufen, wenn von anderer Seite bis zum Siebenfachen der Marktpreise geboten werde.
In der Diskussion plädierte Professor Andreas Umgelter, Berlin, dafür, den Blick über das Vordringen von Fremdinvestoren in die Krankenhäuser hinaus zu erweitern. Auch in öffentlichen Krankenhäusern würden Profite aus der ärztlichen und pflegerischen Arbeitskraft gepresst.
Dieses Geld werde benötigt, um die fehlende Investitionsfinanzierung durch die Länder auszugleichen. „Die ärztliche Zuwendung erscheint dem Kaufmann als ineffizient“, sagte Umgelter.
Vordringen von MVZ macht Sorgen
Eleonore Zergiebel, Nordrhein, wies auf Schwachstellen der Finanzierung der stationären Versorgung durch Fallpauschalen hin. „Profite zu generieren geht am besten durch den Abbau von Pflegestellen“, sagte Zergiebel. Die Abkehr vom 100-Prozent-Ansatz des deutschen Fallpauschalensystems fordert auch der BÄK-Vorstand. Tatsächlich sind die Personalkosten der Pflege bereits aus den Pauschalen herausgenommen. Dem müsse nun die Ausgliederung des ärztlichen Dienstes folgen.
Als besonders sensibel sieht der BÄK-Vorstand das Vordringen von MVZ. Deren Versorgungsauftrag solle begrenzt werden, marktbeherrschende Stellungen verhindert werden. Zudem sollen Gewinnabführungsverträge mit externen Kapitalgebern begrenzt werden. Register sollen zudem Transparenz über den Einfluss von Kapitalgebern auf MVZ geben.
Als gesellschaftspolitische Frage bezeichnete der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) den Prozess der Kommerzialisierung im Gesundheitswesen. Der könne auch das Vertrauen beschädigen, das Patienten Ärzten entgegenbrächten.