Kooperation | In Kooperation mit: Deutsche Krebsgesellschaft und Stiftung Deutsche Krebshilfe

36. Deutscher Krebskongress

Erst Krebsdiagnose, dann arm? Finanzrisiko Tumorerkrankung

Armut und Krankheit korrelieren. Eine neue Krebsdiagnose kann wenig später selbst zum Armutsrisiko werden, wie eine beim DKK 2024 vorgestellte deutsche Studie zeigt. Mit einem Fragebogen könnten Betroffene womöglich früh erkannt werden.

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Verzweifelte Frau grübelt über Rechnungen.

Laut einer Auswertung der EDIUM-Studie berichten 25 Prozent der Erwachsenen mit einer erstmaligen Darmkrebsdiagnose ein Jahr nach Beginn der Behandlung von neu aufgetretenen finanziellen Problemen. (Symbolbild)

© Gina Sanders / stock.adobe.com

Berlin. Krebsinzidenz und -mortalität sind nicht nur generell mit Einkommen und sozialer Deprivation assoziiert. Eine Krebserkrankung kann viele Betroffene offenbar auch direkt in finanzielle Schwierigkeiten führen.

Laut einer Auswertung der EDIUM-Studie, die am Donnerstagmorgen beim 36. Deutschen Krebskongress in Berlin vorgestellt wurde, berichten 25 Prozent der Erwachsenen mit einer erstmaligen Darmkrebsdiagnose ein Jahr nach Beginn der Behandlung von neu aufgetretenen finanziellen Problemen. Vor Beginn der Behandlung gaben 84 Prozent an, sie hätten keine finanziellen Probleme.

„Wer jünger ist, hat ein höheres Risiko“, sagte Dr. Nora Tabea Sibert von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Bei jenen Menschen mit Finanzproblemen ein Jahr nach Therapiebeginn lag der Altersmedian bei 66 Jahren (57–76 Jahre), bei jenen ohne Probleme lag der Median bei 72 Jahren (64–79), sprich hier waren offensichtlich deutlich weniger Menschen auf Erwerbseinkommen angewiesen. 26 Prozent der Männer gaben neue finanzielle Schwierigkeiten nach einem Jahr an, bei Frauen waren es 23 Prozent.

Für die Auswertung hat ein Team der DKG auf Fragebögen von 5.423 Patientinnen und Patienten zurückgegriffen, die an 119 zertifizierten Zentren in Deutschland behandelt wurden. In EDIUM werden seit 2018 patienten-relevante Outcomes (PROM) mittels EORTC QLQ-C30 und -CR29 über zwölf Monate erhoben. Die Studie war damals als Innovationsfonds-Projekt gestartet.

Krebs und „finanzielle Toxizität“

Sibert sprach beim Krebskongress von „finanzieller Toxizität“ bei Tumorerkrankungen. Dieser Begriff wurde 2018 von Pricivel Carrera eingeführt (CA Cancer J Clin 2018; 68(2): 153-165). Carrera führt drei Komponenten dafür an: krankheitsbedingte Mehrausgaben, krankheitsbedingte Mindereinnahmen oder gar Vermögensverzehr und zusätzlich durch die Erkrankung entstehende Ängste bzw. Unbehagen.

Erwartbar war in der EDIUM-Auswertung das Risiko für finanzielle Probleme 12 Monate nach Behandlungsstart je nach Schulabschluss deutlich unterschiedlich: 74 Prozent jener Personen, die von neuen finanziellen Sorgen berichteten, hatten einen Haupt- oder Realschulabschluss, 22 Prozent ein Abitur oder Fachabitur. Das muss allerdings noch kein Prädiktor sein, denn die Hochschulzugangsberechtigungsquote nach Abschlussjahrgängen lag 1970 noch bei 11 Prozent und 1980 erst bei 22 Prozent – heute liegt sie bei um die 50 Prozent.

Die Hälfte (49 Prozent) derjenigen mit finanziellen Problemen fiel auf solche Darmkrebspatienten mit einem hohen UICC-Stadium (3 oder 4). Laut Sibert könnte deshalb eine „höhere Krankheitslast ein Risikofaktor“ sein. Allerdings könnte dies auch durch die Verteilung der UICC-Stadien in der Grundpopulation der Studie erklärbar sein.

Screening in Zentren möglich

Für Sibert stellen die Daten aber das Fundament für ein Prädikations- und Screeningmodell, das in der Beratung von Patientinnen und Patienten eingesetzt werden kann. Finanzielle Schwierigkeiten zum Diagnosezeitpunkt, Alter und Geschlecht würden in einem Prädiktionstest zu 71 Prozent richtig vorhergesagt werden.

Die DKG fordert, solche potenziell Betroffenen frühzeitig zu erkennen. Dies, so die Fachgesellschaft, lasse sich in den zertifizierten Zentren im Rahmen des psychoonkologischen Screenings umsetzen. Eine mögliche Intervention wäre dann ein Kontakt zum Härtefonds der Deutschen Krebshilfe. (nös)

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