Klinikqualität
Gezänke um Mindestmengen geht in die nächste Runde
Mit ihrem jüngsten Versorgungsgesetz ebnet die Koalition den Weg für die Einführung neuer Mindestmengen in Kliniken. Die Lesart der Regelungen bei Krankenkassen und Kliniklobby bleibt indes die alte, wie auf dem Hauptstadtkongress zu hören war.
Veröffentlicht:Berlin. Die geplante Einführung neuer Mindestmengen in Krankenhäusern ist bei Vertretern der Krankenkassen und der Kliniklobby auf ein geteiltes Echo gestoßen. Es gelte, das „Qualitätsinstrument“ der Mindestmengen stärker als bisher in die Krankenhausplanungen der Länder einzubinden, sagte die Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassen-Verbands (vdek), Ulrike Elsner, bei einem Videomeeting im Rahmen des Hauptstadtkongresses 2021 am Mittwoch.
Die Regelungen zu Mindestmengen seien in Deutschland bisher „nur zaghaft und schleppend“ umgesetzt worden, kritisierte Elsner. Viele Kliniken hielten sich nicht daran oder die Länder öffneten über Ausnahmeregelungen Wege für die Häuser, die Vorgaben zu umgehen. Die von der Politik geplante Ausweitung der Mindestmengen sei daher ein richtiger Schritt.
„Vorgaben werden missbraucht“
Der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, sagte, Mindestmengen seien zwar „durchaus ein wichtiger Weg, um die Qualität hochkomplexer Leistungen zu verbessern“. Die Regelungen würden aber in Teilen zur kalten Strukturbereinigung „missbraucht“, kritisierte Gaß.
Bei den Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zu den Mindestmengen stehe nicht unbedingt die Qualität im Vordergrund. „Sondern es geht tatsächlich darum, die Strukturbereinigung voranzubringen – und das ist aus unserer Sicht nicht zulässig.“
Es brauche daher Ausnahmeregelungen der Länder – „nicht für schlechte Qualität, sondern Ausnahmebefugnisse dort, wo Standorte nachgewiesenermaßen hohe Qualität bieten können“, sagte Gaß.
GBA soll regelmäßig prüfen
Laut Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) soll der GBA künftig „kontinuierlich“ die Evidenz bestehender Mindestmengen-Regelungen überprüfen und weitere Mindestmengen auf den Weg bringen. Ausnahmen von bestehenden Vorgaben sollen erschwert werden. Der Bundestag hatte vergangene Woche grünes Licht für das Versorgungsgesetz gegeben.
Theoretisches Ziel von Mindestmengen-Regelungen ist es, dass besonders anspruchsvolle, komplizierte und planbare Operationen und Behandlungen nur in den Kliniken erbracht werden, die über ein Mindestmaß an Erfahrung bei Operateuren sowie Operationsteams verfügen. Die einzelnen Regelungen basieren auf Studien, die jeweils einen Zusammenhang zwischen Routine und Behandlungsergebnis belegen.
Aktuell gibt es entsprechende Vorgaben für sieben Versorgungsbereiche – darunter etwa Knieendoprothesen (Knie-TEP) sowie Leber- und Nierentransplantationen.
„Verbraten viel Zeit mit Messen“
Die Vorsitzende der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund, Dr. Susanne Johna, merkte zur Qualitätsdebatte an, inzwischen stecke Deutschland derart viel Energie in das Messen von Qualität, dass sie fürchte, „wir sind auf der falschen Seite“. „Wir verbraten so viel Zeit damit.“
Johna bemühte in diesem Zusammenhang das Sprichwort, wonach die Sau vom Essen allein nicht fett werde. Übertragen auf die Debatte um Versorgungsqualität leite sich daraus die Frage ab: „Wo machen wir Qualität besser?“
Die Hygiene auf einer Intensivstation werde dann besser, wenn es eine adäquate Personalbesetzung gebe, nannte Johna ein Beispiel. „Die Händedesinfektion dauert 30 Sekunden, und wenn das Personal nicht die Zeit hat, dann hat es die Zeit nicht und dann kann ich hinterher noch so toll messen und Folien ausfüllen.“