Hantavirus-Infektion
Ab ins Krankenhaus - ja oder nein?
Die Symptome von Hantavirus-Infektionen ähneln einem grippalen Infekt. Ob ein Patient in die Klinik muss, ist oft nicht leicht zu beurteilen. Ein Forscherteam aus Stuttgart hat jetzt einen Risikoscore entwickelt, der bei der Entscheidung hilft.
Veröffentlicht:STUTTGART. Die Symptome von Hantavirus-Infektionen ähneln einem grippalen Infekt mit "Fieber und Kopfweh, eventuell Sehstörungen, heftigen lumbalen Schmerzen sowie Thrombopenie und einem Anstieg des Kreatinins", erinnerte Professor Mark Dominik Alscher, Ärztlicher Direktor des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Stuttgart im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Die Erkrankung kann schwer mit akutem Nierenversagen (ANV) verlaufen. Drei Prozent der Patienten werden vorübergehend dialysepflichtig.
Hantavirus-Infekte
Epidemiologie: Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen in Deutschland schwankt stark: 2001 bis 2009 wurden im Mittel 185 Erkrankungen pro Jahr gemeldet, 2012 waren es 2769. Eine hohe Inzidenz ist offenbar durch hohe Populationen von Rötelmäusen bedingt.
Infektionsgefahr: Die Viren werden über Kot und Urin von Nagern ausgeschieden, Menschen infizieren sich meistens durch die Inhalation der eingetrockneten Exkremente. Auch Spaziergänge oder Joggen im Wald können ein Risiko sein.
Weder Symptome noch Kreatininwerte geben Aufschluss über den voraussichtlichen Verlauf. Am RBK hat man daher die Erkrankungen von 456 Patienten analysiert - und hieraus einen einfachen Score entwickelt (Nephrol Dial Transplant 2015; 30: 245).
"Damit kann das Risiko von Patienten, die bei der Diagnose eine normale Nierenfunktion haben, besser abgeschätzt werden", sagte Dr. Jörg Latus, der Erstautor der Studie, zur "Ärzte Zeitung".
Drei Befunde deuten auf ein erhöhtes Risiko für ein schweres ANV:
- Thrombopenie (2 Punkte),
- das C-reaktive Protein (CRP) steigt auf mindestens das Zwölffache des oberen Normbereichs (1 Punkt),
- Proteinurie (1 Punkt).
Patienten mit 0 Punkten entwickeln danach mit einer Wahrscheinlichkeit von 18 Prozent ein schweres ANV. Bei Patienten mit 1 und 2 Punkten erhöht sich das Risiko auf 28 und 38 Prozent. "Ab ein bis zwei Punkten, in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten, ist das Risiko für eine ambulante Betreuung zu hoch", so Alscher.
Bei einem niedrigeren Risiko könnten die Patienten auch vom Hausarzt oder niedergelassenem Nephrologen betreut werden - vorausgesetzt, die Kreatininwerte bleiben normal und stabil und der Patient wird nicht polyurisch.
Die Polyurie ist eine weitere Komplikation der Nephropathia epidemica. "Während der Regeneration durchläuft etwa die Hälfte der Patienten eine polyurische Phase, in der am Tag bis zu 15 Liter Urin ausgeschieden werden", warnte Alscher.
Bei 3 und 4 Punkten ist zu 50 und 64 Prozent ein schweres ANV zu erwarten. In solchen Fällen rät Alscher, Elektrolyte und Kreatinin im Krankenhaus sehr engmaschig zu kontrollieren.
Patienten, die bereits bei der Diagnose ein ANV haben, müssen ebenfalls stationär versorgt werden, weil die Nierenretentionswerte im Regelfall weiter ansteigen.
Am RBK wurde auch die Prognose nach überstandener Hantavirus-Erkrankung untersucht. Anders als bisher angenommen, war eine Proteinurie keine Langzeitfolge. "Die Nierenfunktion war bei allen Patienten wieder normal", so Latus.
Allerdings hatten 25 Prozent eine Hämaturie. Nach einer Infektion sollte daher regelmäßig auf Blut im Urin getestet werden.
Eine weitere gute Nachricht: Die Patienten müssen keine Angst haben, sich gleich wieder eine Hantavirus-Infektion zuzuziehen: "Wir haben bei allen Patienten spezifische IgG-Antikörper nachgewiesen. In einem Fall lag die Infektion schon zehn Jahre zurück. Die Patienten müssten also für einige Jahre immun sein", so Latus.