Nach Ebola-Einsatz
Ärztin darf nur mit einem Meter Abstand behandeln
Zurück vom Einsatz im westafrikanischen Krisengebiet erfährt die Ärztin Sabine Kirchner in ihrer Praxis in Stollberg Skepsis und Panik - vor allem von Kollegen und Apothekern.
Veröffentlicht:STOLLBERG. Eigentlich hat sich für die Hausärztin Sabine Kirchner nicht viel geändert, seit sie am 16. Oktober aus dem Ebola-Brennpunkt Liberia zurückgekehrt ist in ihre Praxis nach Stollberg. Bei ihrer dreiwöchigen Mission in Afrika achtete sie peinlich darauf, keinen Körperkontakt zu haben. "Ich habe nicht eine Hand geschüttelt und immer Abstand gehalten."
So wie jetzt, nur dass sie jetzt nicht in liberianischen Gesundheitszentren Personal schult, sondern im Erzgebirge per Ferndiagnose ihre Patienten behandelt, abgeschirmt durch den Empfangstresen der MFA.
"Unwissen ist hier noch wesentlich größer"
Kirchner war im Ebola-Einsatz - und darf nun auf Weisung des Gesundheitsamtes ihren Patienten nicht näher als einen Meter kommen. Und das ist die zweite Parallele, die Kirchner sieht. "Ich war in Liberia, um die Menschen über die Krankheit aufzuklären. Und jetzt bin ich zurück und sehe, dass das Unwissen hier noch wesentlich größer ist." Nicht bei den Patienten, die kommen nach wie vor und ohne Angst. Es sind die Ärztekollegen und Apotheker, die teils panisch versuchen, sie auf Abstand zu halten.
Kirchner ist 55 Jahre alt und als ehrenamtliche Helferin schon lange für die Hilfsorganisation Humedica unterwegs. Die Philippinen, Uganda, Libyen zählt sie auf, und ihre jüngste Reise führte sie nach Liberia. Dort war sie mit anderen Ärzten dafür zuständig, zusammen mit Mitarbeitern des liberianischen Gesundheitsministeriums örtliche Helfer zu schulen, vor allem zum Thema Infektionsvorsorge und -kontrolle.
Nicht einmal in die Nähe von Infizierten sei sie gekommen, so Kirchner, zumal Humedica ein striktes Behandlungsverbot aussprach, "das kannte ich so auch noch nicht". Trotzdem wollte sie sichergehen, dass es bei der Wiedereinreise keine Probleme gibt. Sie ließ Humedica beim bayerischen Gesundheitsministerium nachfragen. "Dort hieß es, es gebe keine Probleme." Beim sächsischen Ministerium wurde nicht nachgefragt. "Das war wohl ein Fehler", schätzt Kirchner.
21 Tage lang die Praxis schließen?
Sie musste früher als die Kollegen wieder aus Liberia abreisen, "da ich die Urlaubsvertretung für Kollegen in Stollberg machen muss". Schon ein paar Tage vor ihrer Landung in München und der Weiterreise nach Sachsen, so erfuhr sie bei ihrer Rückkehr, hätten sich Mitarbeiter des Gesundheitsamtes des Erzgebirgskreises in der Praxis gemeldet und der MFA mitgeteilt, dass die Chefin 21 Tage lang nicht ihre Praxis öffnen dürfe.
Grund: Besorgte Anrufe im Amt. "Die kamen von Apothekern, die Angst hatten, dass sie sich über Rezepte anstecken, von Pflegeheimen, von Taxifahrern und von einigen Kollegen", fasst Kirchner zusammen. Die Ärztin war schockiert, rief beim Gesundheitsamt an - und erzielte einen Kompromiss: Sie dürfe ihre Patienten behandeln, allerdings nur mit einem Meter Abstand.
Außerdem, so teilt das Gesundheitsamt auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" mit, müsse Kirchner "zweimal täglich ihre Körpertemperatur messen sowie eine Symptomkontrolle auf ebolatypische Begleitsymptome wie zum Beispiel starke Kopf- oder Gliederschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen durchführen".
Selbst am Telefon wird sie gemieden
Das Amt begründet sein Vorgehen damit, dass "insbesondere Reiserückkehrer, die in Krisengebieten als medizinische Helfer tätig waren, nach Einschätzung der obersten Gesundheitsbehörden des Freistaates ein nicht auszuschließendes Restrisiko für den möglichen Import einer Ebolaerkrankung" darstellten, "insbesondere wenn nach Rückkehr eine Tätigkeit in einem beruflich hochsensiblen Umfeld" stattfinde.
Eine Angst, die Kirchner nicht nachvollziehen kann. Anrufe seien dann wiederholt ans Gesundheitsamt gegangen. "Als ob die Kollegen Angst haben, sich bei mir zu melden und sich übers Telefon mit Ebola zu infizieren." Das Gesundheitsamt bestätigt, dass das "telefonische Kontaktverhalten in den letzten Tagen insbesondere zu der Frage anstieg, warum Reiserückkehrer nicht generell verpflichtet werden, sich nach Einreise befristet unter Gesundheitskontrollen stellen zu müssen".
Humedica-Sprecher Steffen Richter will die Maßnahmen des Gesundheitsamtes nicht kommentieren. Er betont aber, dass "während des Einsatzes kein wissentlicher Kontakt zu infizierten Menschen in Liberia" bestanden habe, zudem alles getan wurde, "um eine Infizierung auszuschließen".
Und ebenso wie das Gesundheitsamt im Erzgebirge weist auch er auf die nicht vorhandenen staatlichen Vorgaben für Ebola-Helfer hin. Es seien "uns keine Vorgaben bekannt, die den Umgang mit Helfern aus sensiblen Regionen regeln".