Rezidivierende Appendizitis
Aller üblen Dinge waren drei
Fälle wiederkehrender Appendizitis nach Appendektomie sind rar, in der medizinischen Literatur aber durchaus beschrieben worden. Doch es sind offenbar sogar mehrere Rezidive möglich, wie ein Fall aus den USA zeigt.
Veröffentlicht:HACKENSACK. Den Patienten, der da im August des vergangenen Jahres in die Notaufnahme des Hackensack University Medical Centers kommt, sollte es eigentlich gar nicht geben. Der 32-Jährige, ansonsten gesund, klagt über Schmerzen im unteren rechten Quadranten des Abdomens. Der McBurney-Punkt ist schmerzempfindlich, mit Abwehrspannung, aber ohne Loslassschmerz. Psoas- und Rovsing-Zeichen sind positiv. Das ist hochverdächtig auf eine akute Appendizitis. Doch im unteren rechten Quadranten findet sich noch etwas: Operationsnarben. Der Mann ist bereits appendektomiert worden. Und zwar nicht nur einmal, sondern zweimal.
Die Ärzte geben dem Patienten Schmerzmittel und versorgen ihn intravenös mit Flüssigkeit. Zudem ordnen sie routinemäßige Laboruntersuchungen an, die allerdings nichts Auffälliges ergeben. Zwischen den vorangegangenen Operationen, beide an einem anderen Krankenhaus vorgenommen, ist nur eine Woche vergangen. Der letzte Eingriff liegt erst fünf Tage zurück. All diese Merkwürdigkeiten veranlassen die Mediziner in Hackensack, den Patienten zum Kontrast-CT zu schicken.
Die Appendix ist immer noch da
Der diensthabende Radiologe besorgt sich die Voraufnahmen aus der Klinik, deren Ärzte den Mann zuvor zweimal operiert hatten. Er sieht sich alle Bilder an. Schließlich greift er zum Telefon und ruft seine Kollegen in der Notaufnahme an. Seine Diagnose steht fest. "Der direkte Vergleich unserer und der kürzlich aushäusig gemachten Computertomogramme zeigt: Die Appendix des Patienten ist nach wie vor vorhanden. Und es finden sich ebenfalls wieder die Zeichen einer akuten Appendizitis."
An den Rändern des Zäkums seien außerdem Clips und Nahtmaterial zu erkennen. Nachdem der Radiologe seine Arbeit getan hat, treten erneut Bauchchirurgen ans Bett des Patienten – in knapp zwei Wochen zum dritten Mal. Sie entscheiden sich für ein konservatives Vorgehen mit Ciprofloxacin und Metronidazol, weil sie das Risiko einer Darmperforation bei erneuter Operation scheuen.
Der Notfallmediziner Al Giwa, der über den Fall in der Fachzeitschrift "American Journal of Emergency Medicine" berichtet hat, weiß von 36 Fällen rezidivierter Appendizitis in der englischsprachigen medizinischen Literatur (Am J Emerg Med 2017, online 8. Dezember). Eine Bezeichnung dafür lautet "Stumpfappendizitis". Dahinter steht die Vorstellung, es handle sich um eine Komplikation nach unvollständiger Appendektomie.
Doch selbst das scheint im geschilderten Fall fraglich zu sein. Denn Giwa hat die Berichte der ersten beiden Operationen eingesehen. Hiernach ist die Appendix beim ersten Eingriff lege artis an der Basis abgesetzt worden. Und in der zweiten hat der Operateur nicht nur die Verschlussklammern der ersten Op, sondern nach eigenem Bekunden "mögliche Überreste des Appendix sowie Anzeichen von Infektion oder Abszess im Zäkum" samt und sonders identifiziert. Sogar der pathologische Befund nach der zweiten Operation bestätigt das Vorhandensein von Wurmfortsatzgewebe und zäkumtypischem umgebendem Fett und Muskulatur.
Kein akutes Abdomen riskieren!
Für Giwa unterstreicht der Fall, alle Patienten mit charakteristischen Beschwerden, die den Verdacht auf Appendizitis lenken, gleich zu behandeln, und zwar unabhängig davon, ob bereits eine Appendektomie stattgefunden hat. Er warnt davor, solche Patienten nach konservativer Therapie ohne Bildgebung zu entlassen und damit ein akutes Abdomen durch ein perforiertes Appendizitisrezidiv zu riskieren.
Wie es dem Hackenstacker Patienten weiter erging, ist nicht bekannt. Laut Giwa ist er zur drei Wochen später geplanten Nachuntersuchung nicht erschienen. Wiederholte Versuche, ihn telefonisch zu erreichen, sind fehlgeschlagen. Immerhin wurde er bisher auch nicht mit einem weiteren Rezidiv vorstellig.