Auch nichtalkoholische Fettleber führt häufig zur Leberzirrhose
Das zunehmend häufige metabolische Syndrom zieht nicht nur Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes nach sich. Eine noch zu wenig beachtete Folge ist NASH, die nichtalkoholische Steatohepatitis.
Veröffentlicht:Es gebe Hinweise darauf, dass bis zu 80 Prozent der Patienten mit metabolischem Syndrom eine Fettlebererkrankung haben, in den USA sollen ein Drittel der Gesamtbevölkerung betroffen sein, sagt Privatdozent Dr. Anton Gillessen, Internist und Hepatologe am Herz-Jesu-Krankenhaus in Münster. "Es ist erschreckend feststellen zu müssen, dass sogar Kinder und Jugendliche nicht nur Typ-2-Diabetes, sondern auch NASH entwickeln", sagte Gillessen zur "Ärzte Zeitung".
NASH ist eine Krankheit, die ähnliche Leberveränderungen aufweist wie eine alkoholische Fettleber-Hepatitis, ohne dass jedoch Alkohol im Spiel ist. Zehn bis 30 Prozent der NASH-Patienten bekommen eine Leberzirrhose. Die zunächst unspezifischen Symptome der Krankheit führen oft auf eine falsche Fährte, wie bei einem interaktiven Workshop in Potsdam deutlich wurde.
Anhand eines virtuellen Patienten, bei dem die Workshop-Teilnehmer die Anamnese erheben, klinische und technische Untersuchungen vornehmen sowie einen Therapieplan erarbeiten konnten, präsentierte Gillessen zunächst ein uncharakteristisches Beschwerdebild: ausgeprägte Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
Viele der anwesenden Gastroenterologen dachten bei der vom Unternehmen Nycomed unterstützten Veranstaltung zunächst an Tumor- oder andere gastrointestinale Erkrankungen. "Diese Symptomatik wird in der Tat von vielen Haus- und Fachärzten unterschätzt und als wenig relevant abgetan, nach dem Motto: Abgeschlagen? - Fühle ich mich auch!", meint Gillessen. Auch Schmerzen im rechten Oberbauch lassen meist zunächst an Gallensteinleiden oder Magenbeschwerden denken.
Bei der klinischen Untersuchung des virtuellen Patienten kam jedoch heraus, dass der Patient ein metabolisches Syndrom hatte: hohen Blutdruck, grenzwertige Blutzuckerwerte, Adipositas und anderes mehr. Die virtuelle Sonografie ergab schließlich die Verdachtsdiagnose Fettleber.
Der entscheidende diagnostische Schritt zur Diagnose NASH ist die Leberbiopsie. An diesem Punkt entzündete sich eine kontroverse Diskussion darüber, bei welchem der vielen Patienten mit Fettleber denn eine Punktion der Leber gerechtfertigt sei. Schließlich einigte man sich darauf, dass zunächst die Grunderkrankung, also das metabolische Syndrom, therapeutisch angegangen werden müsse. "Die Leberbiopsie bleibt jenen Patienten vorbehalten, bei denen trotz aller Bemühungen die Leberwerte weiter erhöht sind", betont Gillessen. "Erhöht" bedeutet dabei, die gamma-GT, die GPT und GOT liegen länger als ein Quartal über dem Doppelten der oberen Norm.
"Wir haben zwei Probleme bei NASH", erklärt der Internist. "Erstens ist die Differenzierung zur einfachen Fettleber ohne Biopsie nicht möglich. Zweitens gelingt die Abgrenzung zur alkoholbedingten Steatohepatitis (ASH) nur, wenn wirklich sicher ist, dass kein Alkohol im Spiel ist." 40 Prozent aller Lebererkrankungen in Deutschland haben einen alkoholbedingten Hintergrund. Wichtig ist es zudem, an drei weitere häufige Erkrankungen zu denken. Außer Hepatitis B (HBs-Antigen) und Hepatitis C (Anti-HCV-Antikörper) ist das die Hämochromatose (Transferrin-Sättigung). Allein damit schließe man zwei Drittel aller behandelbaren Lebererkrankungen aus, so Gillessen.
Sogar Kinder und Jugendliche entwickeln nichtalkoholische Fettleber-Hepatitis.
Eine weitere Kontroverse entwickelte sich über die Behandlung bei NASH. Wann sollte die Medikation beginnen? Wesentlich, sagt Gillessen, ist zunächst die nichtmedikamentöse Behandlung, um das metabolische Syndrom in den Griff zu bekommen, gegebenenfalls eine Alkoholkarenz, wenn unklar ist, ob Alkohol ätiologisch eine Rolle spielt. Die einmalige Beratung, etwa zu Ernährungsfragen, bringt nicht viel. Hier ist eine länger andauernde Betreuung anzustreben, um Lebensstiländerungen tatsächlich umsetzen zu können. Eine spezifische medikamentöse Therapie bei NASH gibt es nicht. In erster Linie werden Antidiabetika wie Metformin, Glinide oder Glitazone genutzt, die nachweislich bei NASH wirken.
Fort- und Weiterbildung mit Kasuistiken
Mehrere Unternehmen bieten eine neue Art der interaktiven Fort- und Weiterbildung an. Ein ursprünglich an der Universität Tübingen entwickeltes Computerprogramm der Inmedea GmbH erlaubt das realistische Durchspielen von Kasuistiken von der Anamnese bis zur Therapie. Die Teilnehmer bearbeiten und diskutieren die Kasuistiken in kleinen Gruppen an Einzelplatzrechnern, befragen und untersuchen die virtuellen Patienten völlig frei wie im Alltag und ohne Vorgaben, wie sie vom TED-System bekannt sind. Das Programm bietet umfassende Lernmaterialien und Internet-Links an. Die E-Learning-Plattform wird nicht nur zur Ausbildung von Medizinstudenten genutzt, sondern auch zur realitätsnahen Abbildung medizinischer Leitlinien oder bei CME-zertifizierten Veranstaltungen verschiedener Fachgruppen. (ner)