Erhöhtes Alzheimer-Risiko

Benzodiazepine unter Verdacht

Wer Benzodiazepine einnimmt, könnte damit sein Risiko für Alzheimer erhöhen. Neue Daten legen einen kausalen Zusammenhang nahe.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Bei (früheren) Anwendern von Benzodiazepinen wird häufiger Alzheimer Demenz diagnostiziert.

Bei (früheren) Anwendern von Benzodiazepinen wird häufiger Alzheimer Demenz diagnostiziert.

© psdesign1/fotolia.com

BORDEAUX. Bislang gibt es keine effektive Therapie für Alzheimerkranke - umso wichtiger ist die Suche nach vermeidbaren Risikofaktoren.

Ein solcher Risikofaktor könnte Studien zufolge die Behandlung mit Benzodiazepinen sein. Es ist jedoch umstritten, ob die Tranquilizer wirklich eine Ursache oder nur ein Marker für die Demenz sind.

Zumindest akut sind negative Auswirkungen der Arzneien auf Gedächtnis und Kognition gut belegt. Von daher ist es vorstellbar, dass sie auch dauerhafte Schäden setzen und eine Alzheimerdemenz begünstigen können.

Andererseits sind die Einsatzgebiete für Benzodiazepine - Angst- und Spannungszustände und damit zusammenhängende Schlafstörungen - häufige Prodromi von Morbus Alzheimer. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass Benzodiazepin-Einnahme lediglich ein Indikator ist für eine sich anbahnende Demenz.

Nach einer Studie der Unikliniken von Bordeaux und Montreal schwingt das Pendel aber eher in Richtung einer kausalen Beziehung. Danach könnten Benzodiazepine das Alzheimerrisiko um etwa 50 Prozent erhöhen, und zwar insbesondere beim Langzeitgebrauch (BMJ 2014; 349: g5205).

Um 51 Prozent erhöhte Alzheimerrate

In der Studie waren Versicherungsdaten von 1796 Patienten mit und 7184 Patienten ohne Alzheimer verglichen worden. Um eine reverse Kausalität - also eine Benzodiazepinbehandlung wegen Alzheimervorzeichen - auszuschließen, waren nur Verordnungen analysiert worden, die zwischen fünf und zehn Jahre vor der Diagnose erfolgt waren.

Dabei stellte sich heraus, dass Alzheimerpatienten häufiger irgendwann (49,8 vs. 40,0 Prozent) und häufiger langfristig (32,9 vs. 21,8 Prozent) Benzodiazepine bekommen hatten.

Insgesamt war die Anwendung von Benzodiazepinen mit einer um 51 Prozent erhöhten Alzheimerrate verbunden. Selbst nach Abgleich gegen Angst, Depression und Insomnie blieb ein Anstieg des Erkrankungsrisikos um 43 Prozent.

Der Zusammenhang war jedoch nur dann zu erkennen, wenn die Patienten mehr als 90 Tagesdosen erhalten hatten. Mit 91 bis 180 Tagesdosen war das Alzheimerrisiko um 32 Prozent und mit mehr als 180 um 84 Prozent erhöht.

Außerdem waren lang wirksame Benzodiazepine mit einem stärkeren Anstieg der Erkrankungsrate assoziiert (+70 Prozent) als kurz wirksame (+43 Prozent).

Reduzieren die Tranquilizer die kognitiven Reserven?

"Unsere Studie stützt den Verdacht eines erhöhten Alzheimerrisikos bei Benzodiazepinanwendern, insbesondere bei Langzeitanwendern", schreiben die Autoren um Sophie Billioti de Gage aus Bordeaux.

Sie vermuten, dass die Tranquilizer die kognitiven Reserven reduzieren und damit auch die Fähigkeit, erste durch die Alzheimerpathologie verursachte Nervenläsionen zu kompensieren.

Benzodiazepine seien zwar "wertvolle Substanzen zur Behandlung von Angststörungen und vorübergehender Insomnie" . Die Behandlungsdauer solle aber - wie in internationalen Leitlinien empfohlen - drei Monate nicht überschreiten.

In Anbetracht der neuen Daten sei es noch wichtiger, "Nutzen und Risiken bei Neu- und Weiterverordnungen sorgfältig zu überprüfen". Benzodiazepine sollten so kurz wie möglich verordnet werden, bevorzugt Substanzen mit kurzer Halbwertszeit.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Nicht beruhigend

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