Verkehrsgerichtstag
Cannabis-Freigabe: Fachleute für neuen THC-Grenzwert im Straßenverkehr
Eine erwartete Cannabis-Freigabe hat auch Auswirkungen auf den Straßenverkehr. Bisher führt schon der Nachweis zur Fahruntüchtigkeit. Fachleute diskutieren jetzt eine andere Regelung.
Veröffentlicht:Goslar. In der Debatte um die kontrollierte Abgabe von Cannabis fordert der Verkehrsgerichtstag (VGT), die Folgen für den Straßenverkehr stärker in den Blick zu nehmen. Manche Fachleute plädieren dafür, den Grenzwert für Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut zu erhöhen.
Beim am Mittwoch beginnenden VGT in Goslar könnten sich Experten auf einen Vorschlag für einen neuen Grenzwert einigen. Derzeit liegt er bei 1 ng THC je Milliliter Probenvolumen.
„Der bisherige Grenzwert bei der THC-Konzentration taugt nicht, da er keine Aussage über Fahruntüchtigkeit trifft“, sagte Andreas Krämer vom Deutschen Anwaltverein. Der Wert müsse wie beim Alkohol so festgelegt werden, dass nur berauschte Fahrer sanktioniert würden.
THC-Grenzwert von 3 Nanogramm im Gespräch
Durch den bestehenden Grenzwert würden voraussichtlich Menschen bestraft, die mehr als einmal pro Woche Cannabis zum Genuss konsumieren – „auch wenn sie vor der Verkehrsteilnahme eine ausreichend lange Zeit warten“, ergänzte der Leiter der Forensischen Toxikologie an der Uni Frankfurt, Professor Stefan Tönnes.
Problematisch ist, dass es bei Cannabis anders als beim Alkohol keine festen wissenschaftlich definierten Grenzwerte gibt, ab denen von einer Fahruntüchtigkeit auszugehen ist. „Cannabis löst anders als Alkohol ganz unterschiedliche Wirkungen bei verschiedenen Menschen aus“, erklärte der Leiter der Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Siegfried Brockmann.
Er plädiert für einen Grenzwert von 3 Nanogramm THC pro Milliliter Blut. Er beruft sich auf Studienergebnisse, wonach erst ab einem THC-Wert von 2 bis 4 Nanogramm von einer Beeinträchtigung gesprochen werden kann, wie der Deutsche Anwaltverein mitteilte.
Womöglich striktere Alkoholgrenzen
Toxikologe Tönnes betonte, dass im Verkehr bereits durch die 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol ein erhebliches Risiko eingegangen wird. Welche Grenzwerte bei Cannabis gelten sollen und ob Regelungen beim Alkohol gegebenenfalls strikter gefasst werden müssten, sei deshalb auch eine gesellschaftliche Diskussion.
Zudem müsse überlegt werden, welche Rolle der Mischkonsum von Alkohol und Cannabis bei der Bewertung der Fahrtüchtigkeit spiele, sagte Unfallforscher Brockmann. Dieser sei besonders gefährlich, Grenzwerte ließen sich aber nicht einfach addieren.
Der Präsident des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, Helmut Trentmann, geht davon aus, dass mit der Freigabe von Cannabis die Zahl der Fahrten unter Cannabiseinfluss steigen wird. Er fordert deshalb unter anderem eine breite Aufklärung aller Verkehrsteilnehmer. Darüber hinaus sollten Alkohol- und Drogenkontrollen im Straßenverkehr erhöht werden.
Ausnahmen bei Medizinalcannabis nötig
Wegen der teils unklaren Dosis-Wirkungs-Beziehung will der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) an der 1-Nanogramm-Grenze festhalten – unabhängig von einer möglichen Cannabis-Legalisierung. „Die Sicherheit im Straßenverkehr darf nicht zur Disposition stehen“, sagte ein ADAC-Sprecher.
Eine Fahrt unter Cannabiseinfluss werde in der Regel wie eine Fahrt mit 0,5 Promille Alkohol mit 500 Euro Strafe und einem Monat Fahrverbot bestraft. Das sei angemessen, meint der ADAC.
Menschen, die aus medizinischen Gründen Cannabis nehmen, sollen weiterhin mit dem Auto fahren dürfen, wenn sie sich an ärztliche Vorgaben bei der Einnahme halten. Der ADAC fordert hier zudem einen Grenzwert, ab dem davon auszugehen ist, dass ein kranker Mensch mehr als die verschriebene Menge Cannabis konsumiert hat. (dpa/eb)