Tropenkrankheiten

Chikungunya erobert die Welt

Bis vor zehn Jahren war Chikungunya eine obskure Krankheit im Indischen Ozean - jetzt könnte sich das Virus auch bei uns etablieren.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Partikel des Chikungunya-Virus.

Partikel des Chikungunya-Virus.

© CDC / Cynthia Goldsmith

DÜSSELDORF. Zusammen mit dem Dengue-Fieber, einer hämorrhagischen Fiebererkrankung, ist das klinisch ähnlich, aber meist kürzer und weniger ausgeprägt verlaufende Chikungunya-Fieber bisher zumindest aus infektiologischer Sicht der große Gewinner der Globalisierung.

"Das Dengue-Fieber ist in Deutschland mittlerweile die häufigste Diagnose bei Fieberpatienten in tropenmedizinischen Sprechstunden. Chinkungunya folgt ihm auf den Fersen", sagte Professor Tomas Jelinek vom Centrum für Reisemedizin in Düsseldorf.

In den 1950er Jahren erstmals beschrieben, war Chikungunya jahrzehntelang eine eher seltene, für westliche Industrienationen wenig relevante Erkrankung auf einigen Inseln im indischen und im westpazifischen Ozean.

Die Wende kam in den Jahren 2005/2006, als es auf La Réunion einen massiven Ausbruch mit über 200.000 Betroffenen gab.

Die Bevölkerung der Insel hatte keinerlei Immunität, weil die Erkrankung dort bis dato nicht vorkam. "Von La Réunion aus hat sich Chikungunya dann enorm ausgebreitet", so Jelinek.

Tigermücke infiltriert "DomRep"

Nichtmenschliche Reservoire für das Chikungunya-Virus, ein RNA-Virus aus der Familie der Toga-Viren, sind Affen und Nagetiere. Als Vektoren fungieren Gliederfüßler.

Vor allem die asiatische Tigermücke ist für den globalen Siegeszug der Erkrankung verantwortlich. Im Jahr 2013, möglicherweise sogar schon ab 2011, gelang es Mücke und Virus, sich in der Karibik festzusetzen, zunächst auf kleinen Inseln wie St. Martin.

Im Winter 2013/2014 folgten Nachweise in Martinique und Guadeloupe und dann im April 2014 in der Dominikanischen Republik.

Mittlerweile hat die Erkrankung das amerikanische Festland erreicht und wurde unter anderem in Florida und Venezuela und kürzlich sogar in Bolivien registriert.

Jelinek berichtete, dass die panamerikanische Gesundheitsorganisation PAHO für Nord-, Mittel und Südamerika bereits 1,2 Millionen offiziell bestätigte Chikungunya-Fälle gezählt habe. Fast die Hälfte davon ereignete sich in der Dominikanischen Republik.

"Wir sehen in unserer Sprechstunde derzeit regelmäßig Reisende, die aus dieser Region mit Chikungunya zurückkommen. Allein gestern waren es zwei", so Jelinek.

Chikungunya verläuft relativ gutartig

Dass Chikungunya trotz seiner explosionsartigen Verbreitung in den vergangenen zwölf Monaten bisher kein Thema der Titelseiten ist, liegt daran, dass es relativ gutartig verläuft. Das Fieber selbst dauere etwa eine Woche, und danach gehe es bei den meisten Patienten rasch wieder aufwärts, so Jelinek.

Tödlich ist die Erkrankung selten. Schwere hämorrhagische Verläufe sind die Ausnahme. Bei dem massiven Ausbruch auf La Réunion starb nur etwa jeder Tausendste.

Und wer starb, hatte in der Regel Begleiterkrankungen oder war sehr alt. "Günstig ist auch, dass die Erkrankung nach allem, was wir wissen, eine lebenslange Immunität hinterlässt", betonte der Experte.

Was den Schweregrad angeht, unterscheidet sich Chikungunya damit deutlich von dem klinisch verwandten Dengue-Fieber, das wegen seiner ausgeprägten Schmerzhaftigkeit auch als "Knochenbrecherfieber" bezeichnet wird.

Die Sterblichkeit ist höher. Das Fieber kann über drei Wochen anhalten. "Und danach fühlen sich viele Patienten noch Wochen lang geplättet", so Jelinek.

Kann Chikungunya auch nach Europa kommen?

Genau genommen ist Chikungunya bereits in Europa, allerdings nicht in Form massiver Endemien. In der Regel handelt es sich um eingeschleppte Fälle, die von geeigneten Vektoren weitergetragen werden.

Bei einer Pressekonferenz im Vorfeld des 16. Forums Reisen und Gesundheit in Berlin hatte der Veranstalter eine Patientin mitgebracht, die sich Chikungunya an der Côte d'Azur zugezogen hatte.

Dort gilt die asiatische Tigermücke seit einigen Jahren als heimisch. Auch auf Korsika sowie in Südosteuropa ist sie zu finden.

Eine deutsche Endemie könnte potenziell auf zweierlei Wiese entstehen. Entweder siedelt sich die asiatische Tigermücke ähnlich wie in Teilen der neuen Welt dauerhaft an, möglicherweise infolge des Klimawandels.

Oder es springen andere Vektoren ein, die das Virus übertragen. In diesem Zusammenhang gilt das Rheintal als eine problematische Region.

"Dort lebt eine enge Verwandte der Tigermücke, die als Überträger für eingeschleppte Viren infrage kommt", so Jelinek. Wenn überhaupt, dann dürften daraus allerdings kleine und regional eng begrenzte Ausbrüche resultieren.

Das Tückische an Chikungunya ist, dass seine Überträger anders als viele andere Mücken tagsüber aktiv sind. Auch die in Berlin vorgestellte Patientin wurde am helllichten Nachmittag gestochen.

Der typische sommerliche Schutzreflex, bei dem mit aufkommender Dämmerung quasi automatisch das Spray gezückt wird, greift bei dieser Erkrankung - wie auch beim Dengue-Fieber - also zu kurz.

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