Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin
Darum droht Deutschland keine Opioid-Epidemie
Deutschland stehe eine Opioid-Epidemie wie in den USA bevor, warnte ein Experte. Alles Panikmache, kontert die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin - und erklärt warum.
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Opioid-Pillen.
© Patrick Sison / picture alliance / AP Photo
NEU-ISENBURG. In den USA hat Präsident Donald Trump wegen der massiven Zunahme der Opioid-Abhängigen den nationalen Notstand ausgerufen, Drogendealer will er notfalls mit dem Tod bestrafen.
Auch Deutschland drohe eine Epidemie, warnte Professor Christoph Stein, Leiter der Klinik für Anästhesiologie der Charité Berlin in der Zeitung "Die Welt".
Dem widerspricht die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) nun. "In Deutschland ist die Situation ganz anders als in den USA, wir sind hier weit von einer solchen Entwicklung entfernt", so Sanitätsrat Dr. Oliver Emrich, bis vor kurzem Vize-Präsident der DGS.
Professor Stein kolportiere nicht-zutreffende Meldungen über einen angeblich extremen Anstieg von Opioid-Verschreibungen in Deutschland. In der "Welt" zitierte Meldungen seien falsch.
"Tatsache ist, dass die definierte Tagesdosis (DDD, Defined Daily Dose) verschriebener Stufe-3-WHO-Opioide seit mehreren Jahren kaum ansteigt", betont Emrich. Seit 2010 liegt die Zahl bei etwa 400 Millionen DDD (siehe Grafik).
Immer weniger substituierende Ärzte mit suchtmedizinischer Expertise
Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist in den letzten Jahren zwar leicht angestiegen: Im Vergleich zum Jahr 2000 hat sich die Zahl der Drogentoten pro Jahr von über 2000 auf 944 im Jahr 2012 mehr als halbiert, bis 2016 stieg die Zahl wieder auf 1333 (siehe Grafik).
"Grund dafür ist aber eine rückläufige Zahl substituierender Ärzte mit suchtmedizinischer Expertise", berichtet Emrich. Zum Vergleich: In den USA starben 2016 etwa 60.000 Menschen an einer Drogenüberdosis, im Jahr 2000 waren es noch 20.000 gewesen.
Insgesamt unterscheidet sich das deutsche Gesundheitssystem grundlegend von dem amerikanischen: "Das amerikanische Gesundheitssystem mit seinem überwiegend auf Eigenbeteiligung beruhendem Gesundheitssystem befeuert den umkritischen Umgang mit Opioiden!" so Emrich.
Im deutschen Gesundheitssystem reguliere ein stringentes Betäubungsmittelgesetz und eine jüngst novellierte Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung den Opioid-Gebrauch.
"Kein Grund für drohende Horror-Szenarien"
"Selbstverständlich ist die DGS wachsam, die gegenwärtigen Zahlen geben aber keinen Grund für drohende Horror-Szenarien in Deutschland", betont Emrich.
Die DGS schätzt, dass unter drei Prozent der Schmerzpatienten unter Opioidlangzeitwanwendung einen Fehlgebrauch entwickeln. "Gerade aus diesem Grund hat die DGS eine PraxisLeitlinie erarbeitet, die gerade die Konsentierungsphase abgeschlossen hat."
Die Gesellschaft könne sich den Panikmeldungen aus wissenschaftlichen Analysen heraus nicht anschließen, betont Emrich.