Suchtwelle voraus
Opioid-Epidemie auch bald in Deutschland?
Schlechtes Vorbild USA: Deutschland droht eine Welle an Opioid-Suchtkranken, warnt ein Berliner Anästhesiologie-Professor.
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Ein Pillenregen: Aus Sucht zerkochen manche Abhängige Schmerzpflaster oder zerstoßen Pillen, um an den konzentrierten Wirkstoff heranzukommen.
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BERLIN. US-Präsident Donald Trump hatte im vergangenen Oktober den nationalen Gesundheitszustand wegen der grassierenden Opioid-Abhängigkeitsepidemie ausgerufen – in Deutschland hat das Thema bisher wenig aufmerksam hervorgerufen.
Der Leiter der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin an der Berliner Charité, Prof. Dr. Christoph Stein, holt die wachsende Opoid-Sucht in Deutschland jetzt unter dem Radar hervor: "In Deutschland droht eine Opioid-Epidemie wie in den USA", sagte Stein der Zeitung "Die Welt".
Der Pro-Kopf-Verbrauch unterscheide sich kaum noch zu den USA, wo 2016 laut CDC mehr als 42.000 Menschen an den Folgen von Opioiden gestorben sind, so Stein. "Die Welt" verweist auf Zahlen des International Narcotics Control Boards: Die Verschreibung von Opioiden in Deutschland sei, nach Jahren relativ niedrigen Verbrauchs, zuletzt stark angestiegen.
Teilweise sei diese Entwicklung begrüßenswert, da Schmerzpatienten oft weniger Opioide verschrieben bekommen hätten als in anderen Ländern – aus Angst vor Abhängigkeiten.
Unnötige Verschreibung wird zum Problem
Problematisch werde der Anstieg aber im Bereich von Patienten, bei denen Opioide, wie Tramadol oder Fentanyl, fälschlicherweise verschrieben würden: Ärzte verschrieben die Schmerzmittel nach Operationen in zu großen Mengen, um zu verhindern, dass Patienten zur Nachbehandlung erscheinen müssten. Auch bei Kopf- oder Rückenschmerzen beziehungsweise Osteoporose würden die Mittel wirkungslos verschrieben.
Stein greift dabei in dem Artikel auch die Pharmaindustrie an: Sie bewerbe Opioidmittel aggressiv und betreibe verdeckte Werbung.
Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) wehrt sich gegen den Vorwurf. "Es gibt keine Belege für aktuelles Fehlverhalten", wird Verbandssprecher Dr. Jochen Stemmler zitiert. Der letzte Vorwurf verdeckter Werbung für ein verschreibungspflichtiges Medikament sei Jahre her.