Epidemie in Westafrika
"Dem Ebola-Ausbruch laufen wir immer noch hinterher"
Der deutsche Ebola-Rettungsflieger ist in Betrieb. Aber es gibt noch viele Defizite in der Krisenregion und das Interesse ebbt ab, kritisiert "Ärzte ohne Grenzen".
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Seit Ausbruch der Ebola-Epidemie Ende März dieses Jahres wurden in Westafrika 5689 Todesfälle durch die Erkrankung registriert und 15.935 Erkrankte. Dennoch ist es zurzeit um Ebola seltsam still geworden. Leise Kritik äußerte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei der Inbetriebnahme des umgebauten Lufthansa-Airbus als Ebola-Rettungsflugzeug.
"Wir müssen zugeben, dass wir als internationale Staatengemeinschaft ein wenig zu spät gekommen sind. Umso mehr sind wir gefordert, jetzt das uns Mögliche zu tun", sagte Steinmeier bei der Besichtigung der Maschine am Donnerstag. "Es ist wahrscheinlich das einzige Flugzeug der Lufthansa, von dem wir hoffen, dass es nicht oder möglichst selten zum Einsatz kommt."
Mediale Aufmerksamkeit geht zurück
"Wie in vielen Krisengebieten erleben wir auch in Westafrika, dass die mediale Aufmerksamkeit schneller zurückgeht als die Not der Menschen", erklärt Dr. Tankred Stöbe, Vorstandsvorsitzender der deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen" (Médecins Sans Frontières, MSF). Mit Guinea, Liberia, Sierra Leone und Mali sind derzeit vier Länder akut von Ebola betroffen, während es in Nigeria und im Senegal anscheinend keine neuen Erkrankungen mit Ebola gibt.
Teams von "Ärzte ohne Grenzen" stellen vor Ort in nahezu allen Bereichen der Ebola-Bekämpfung große Mängel fest. Das betrifft sowohl die medizinische Versorgung als auch die Ausbildung des Gesundheitspersonals, die Infektionskontrolle, die Ermittlung von Kontaktpersonen, die epidemiologische Überwachung und die Kommunikation.
"Es fehlt weiterhin an allem, an qualifizierten Mitarbeitern, Behandlungsbetten, Aufklärung und vielem mehr", bestätigt MSF-Deutschland-Chef Stöbe. "Zudem sterben Tausende Menschen in der Region an Malaria und anderen eigentlich behandelbaren Erkrankungen, weil die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder völlig zusammengebrochen sind."
Derzeit sind für "Ärzte ohne Grenzen" insgesamt 3400 Mitarbeiter in der westafrikanischen Krisenregion tätig, wobei die Zahl der Patienten in einigen Regionen weiterhin steige. Die Organisation betreibt sechs Ebola-Fall-Management-Zentren, verfügt über 600 Quarantäne-Betten und zwei Transitzentren.
Vielerorts steigen die Zahlen weiter
Seit Ausbruch der Epidemie habe man 3800 Ebola-Patienten behandelt, von denen 1600 überlebten, so Stöbe. Bei dem Einsatz hätten sich seit März dieses Jahres auch 24 eigene Mitarbeiter infiziert, elf von ihnen konnten als geheilt entlassen werden. "Unsere Helfer vor Ort leisten Enormes", betont Tankred Stöbe. "Sie haben ein volles Arbeitspensum, und die hohen Sterberaten der Patienten sind frustrierend."
Eigene epidemiologische Daten deuteten derzeit darauf hin, dass die Zahl der Neuerkrankungen in Liberias Hauptstadt Monrovia zurückgeht, so Stöbe.
"Aber das gilt nicht für das übrige Land. Und in Sierra Leone und Guinea steigen die Zahlen der Betroffenen sogar an. Zudem müssen wir von einer sehr hohen Dunkelziffer sowohl bei den Infizierten als auch bei den Toten ausgehen." Da wo Kapazitäten frei würden, sollte man diese dazu nutzen, die Arbeit in anderen Bereichen zu intensivieren, meint der Vorsitzende der deutschen MSF-Sektion.
Beispielsweise bei der Ermittlung der Kontaktpersonen oder in der Öffentlichkeitsarbeit. Zudem sei die Epidemie - der größte jemals registrierte Ebola-Ausbruch - völlig unberechenbar, was flexible Reaktionen erfordere. "Was wir sicher wissen", sagt Stöbe, "ist, dass wir dem Ausbruch noch immer hinterher laufen und noch lange bleiben müssen. Auch wird noch mehr Hilfe benötigt werden."
MSF fordert, der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Ebola absoluten Vorrang einzuräumen und jenen für die Betroffenen am Ende auch leicht zugänglich zu machen. Der Kampf gegen Ebola schließe zudem Maßnahmen gegen vermeidbare und behandelbare Erkrankungen wie Malaria und Diarrhoe ein. Das fragile Gesundheitswesen in Westafrika müsse nachhaltig gestärkt werden, um künftige Epidemien zu verhindern.
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