CT-gesteuerte Schmerztherapie

Die Krux mit der Überweisung

Seit April können nur noch diejenigen Ärzte Überweisungen für CT-gesteuerte schmerztherapeutische Interventionen ausstellen, die selbst Schmerztherapeuten sind. Diese Neuerung sorgt für eine Versorgungslücke.

Von Heinrich Weichmann Veröffentlicht:
MRT wegen Verdacht auf Bandscheiben-Läsion - doch die mögliche Konsequenz wie CT-gesteuerte Schmerztherapie ist jetzt massiv erschwert worden.

MRT wegen Verdacht auf Bandscheiben-Läsion - doch die mögliche Konsequenz wie CT-gesteuerte Schmerztherapie ist jetzt massiv erschwert worden.

© RRF / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Die Spielregeln waren bislang eindeutig: Gemäß Paragraf 13 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw. Paragraf 7 Abs. 4 Arzt-Ersatzkassen-Vertrag können Ärzte für Radiologie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden.

Zusätzliche Regelungen, welche Fachärzte Überweisungen an Radiologen vornehmen dürfen, gab es bislang weder in den Bundesmantelverträgen noch im EBM.

Klartext: Jeder Vertragsarzt konnte bisher Patienten zu jedem Radiologen zur Durchführung radiologischer - und eben auch schmerztherapeutischer - Leistungen überweisen.

Damit ist nun Schluss - mit drastischen Folgen für die Versorgung der Schmerzpatienten.

Denn mit schriftlicher Beschlussfassung hat sich der Bewertungsausschuss in seiner 290. Sitzung darauf geeinigt, das bisherige Überweisungsverfahren hinsichtlich interventioneller radiologischer schmerztherapeutischer Leistungen mit Wirkung zum 2. Quartal drastisch einzuschränken.

EBM-Ziffer wurde ersetzt

Die Leistungsposition 34502 EBM, die bislang für CT-gesteuerte Interventionen berechnungsfähig war, gibt es seit dem 1. April nicht mehr. CT-gesteuerte Interventionelle schmerztherapeutische Leistungen sind nun nach Nr. 34504 abzurechnen, andere CT-gesteuerte Interventionen nach Nr. 34505.

Der Haken: Wie bisher können Radiologen nur auf Überweisung vertragsärztliche Leistungen erbringen. Interventionelle schmerztherapeutische Leistungen nach Nr. 34504 aber nur, wenn der Radiologe selbst die Voraussetzungen gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nach Paragraf 135 Abs. 2 SGB V erfüllt oder wenn die Behandlung auf Überweisung eines Arztes erfolgt, der die Voraussetzungen gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung seinerseits erfüllt oder die Zusatz-Weiterbildung "Spezielle Schmerztherapie" gemäß der Weiterbildungsordnung einer Ärztekammer erworben hat.

Nur 2000 Ärzte erfüllen die Vorgaben

Radiologen sind damit außen vor: Das Bundesarztregister weist mit Stand vom 31. Dezember 2012 nur einen einzigen Radiologen mit dieser Zusatz-Weiterbildung aus, in allen anderen Facharztgruppen zusammen sind es laut Bundesarztregister 1302 Ärzte, davon allein 477 Anästhesisten.

Zusammen mit den Ärzten, die gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung eine Genehmigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung haben, dürften somit nur etwa 1500 bis 2000 Ärzte berechtigt sein, Patienten zur interventionellen schmerztherapeutischen Behandlung, die in der Regel als Periradikuläre Therapie (PRT) durchgeführt wird, zu überweisen.

Überweisungen werden nicht nur von Orthopäden, Neurochirurgen und Neurologen, sondern häufig auch von Hausärzten ausgestellt. Diesen Ärzten obliegt nun die unangenehme Aufgabe, ihre Patienten zunächst zu Schmerztherapeuten überweisen zu müssen, die dann ihrerseits zu einem Radiologen weiter überweisen.

Schmerztherapeuten haben mit der Annahme derartiger Überweisungen aber ein Problem: Gemäß der Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung rechnen sie ihre Leistungen nach besonders bewerteten Positionen des Kapitels 30.7.1 EBM (schmerztherapeutische Versorgung) ab.

Wesentlich für die Vergütung sind neben der Grundpauschale Nr. 30700 (905 Punkte/32 Euro), die Zusatzpauschale Nr. 30702 (1405 Punkte/49,67 Euro) und der Zuschlag Nr. 30704 (840 Punkte/29,70 Euro).

Gemäß dem 3. Absatz der Präambel zu Kapitel 30.7 EBM (Schmerztherapie) ist die Berechnung der Zuschlagsposition 30702 auf 300 Patienten je Arzt und Quartal begrenzt.

Fallbegrenzung wird zum Problem

Für die Berechnung des Zuschlags Nr.30704 sind die Vorgaben noch stringenter: Auch diese Position darf ein Schmerztherapeut bei höchstens 300 Patienten pro Quartal abrechnen, aber unter der Vorgabe, dass der Anteil der schmerztherapeutisch behandelten Patienten an der Gesamtzahl der Patienten im Quartal mindestens 75 Prozent beträgt.

Hat somit ein Schmerztherapeut sein Kontingent von 300 Schmerzpatienten mit Berechnung der Nr. 30704 ausgefüllt, darf er in demselben Quartal nur eine Gesamtfallzahl von 400 Patienten haben.

Werden diese Grenzwerte nicht eingehalten, verfahren die meisten KVen so, dass die Leistungsposition Nr. 30704 komplett gestrichen wird.

Die Begrenzung auf 300 Behandlungsfälle kann von der KV aus Gründen der Sicherstellung auf Antrag modifiziert werden. Zahlreichen Schmerztherapeuten wurde auf diesem Wege eine Erhöhung der Höchstfallzahl für die Behandlung von Schmerzpatienten zugestanden.

Dennoch: Die meisten Schmerztherapeuten füllen bereits jetzt ihr Kontingent aus, selbst wenn dieses aus Gründen der Sicherstellung erhöht wurde.

Durch "Weiterüberweisungen" an Radiologen erhöht sich die Behandlungsfallzahl, die 75-Prozent-Quote zur Berechnung der Nr. 30704 würde unterschritten.

Das gilt selbst dann, wenn bei Inanspruchnahme zur Weiterüberweisung nicht die Grundpauschale Nr. 30700 berechnet würde, sondern eine Grundpauschale aus dem eigentlichen Fachgebiet, etwa eine orthopädische Grundpauschale nach Nummern 18210 bis 18212, eine neurochirurgische Grundpauschale nach den Nr. 16210 bis 16212 usw.

Es ist nachvollziehbar, dass Schmerztherapeuten kaum geneigt sein werden, nur als "Weiterüberweiser" tätig zu werden und dadurch die Voraussetzungen zur Abrechnung der Nr. 30704 für alle ihre Patienten zu verlieren.

KVen außen vor

Nach Bekanntwerden des Beschlusses des Bewertungsausschusses haben betroffene niedergelassene Ärzte und der Berufsverband der Radiologen (BDR) massiv Widerspruch eingelegt.

Vergeblich: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG), dem alle Beschlüsse des Bewertungsausschusses vorgelegt werden müssen, hat den Beschluss nicht beanstandet.

Somit ist er unverändert zum 1. April 2013 in Kraft getreten. Auch wurde den KVen keine Möglichkeit eingeräumt, das stringente Überweisungserfordernis aus Gründen der Sicherstellung zu modifizieren.

Immerhin: Die Sicherstellung der schmerztherapeutischen Versorgung soll nach einem halben Jahr überprüft werden. Die KVen werden deswegen mit einem Rundschreiben der KBV aufgefordert, Probleme bei der Durchführung interventioneller schmerztherapeutischer Behandlungen bei der KBV zu melden.

Der BDR geht unter dem Aspekt der Überweisungsbeschränkungen zur Durchführung schmerztherapeutischer interventioneller radiologischer Leistungen einen Schritt weiter: Auf der Homepage des Berufsverbands der Radiologen können die Mitglieder des Berufsverbandes eine Handlungs- und Abrechnungsempfehlung abrufen, nach der interventionelle radiologische schmerztherapeutische Leistungen als IGeL abgerechnet werden können, verbunden mit einer Stellungnahme zum Off-Label-Use der verwendeten Arzneimittel und zum Haftpflichtschutz.

Ein PraxisbeispielIm Rheinisch-Bergischen Kreis mit ca. 270.000 Einwohnern, werden laut Abrechnungsexperte und Hausarzt Dr. Heiner Pasch derzeit bei ca. 600 Schmerzpatienten im Jahr insgesamt etwa 1800 CT-gesteuerte Infiltrationen gemacht.

Pasch: "Es gibt zwei Vertragsärzte mit der Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie und lediglich einen Kollegen, der an der Qualitätssicherungsvereinbarung teilnimmt." Letzterer nehme aber aus Kapazitätsgründen keine neuen Patienten an.

"Ich frage mich, wie bei dieser Konstellation die Versorgung aufrechterhalten werden soll", sagt Pasch.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Hausgemachter Engpass

Mehr zum Thema
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 10.04.201313:37 Uhr

Pendelnde Patienten?

Liebe Frau Kollegin Bauer,
auch wer nicht hektisch mit jungen Pferden umgeht, muss auf der Hut sein, dass dieselben nicht mal durchgehen. Ob interventionelle Radiologen überbezahlt werden, darüber will ich mit Ihnen als sicher unter Wert honorierte, qualifizierte und spezielle Schmerztherapeutin nicht streiten.

Aber mit Ihrem Manko prä- wie postinterventioneller (fach-)neurologischer Untersuchungen bei der radiologisch-orthopädischen PRT wecken Sie schlafende Hunde, wenn der Bewertungsausschuss dann Patienten auch noch zwischen Radiologie, Neurologie Schmerztherapie u n d Hausarztbetreuung hin und her pendeln lassen wollte. Und die freihändigen Blockadetechniken mit "durch sich allein an anatomischen Marken orientierenden Injektionen", wie z. B. die Neuraltherapie mit Infiltration der kleinen Wirbelgelenke führen zu eher noch schillernderen, facettenreichen Ergebnissen ohne Evidenz-basierte Evaluation.

Ansonsten teile ich Ihre schmerztherapeutischen Reflexionen. Und es wäre viel gewonnen, wenn Schmerz-Diagnostik und -Therapie integraler Bestandteil a l l e r ärztlichen Fachrichtungen, außer vielleicht der Pathologie, sein würden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Birgit Bauer 10.04.201310:59 Uhr

Nur mit einem Auge hingeschaut !

Mir fehlt im Artikel die Nutzenbewertung dieses überbezahlten Eingriffes, vielfach erfolgt er ohne vorherige Schmerzanalyse und ohne vorherige überhaupt ernstzunehmenden multimodale Schmerztherapie. Außerdem muß eine PRT nicht zwangsweise unter radiologischer Kontrolle erfolgen, ein in Blockadetechniken versierter Kollege kommt allein durch sich an anatomischen Marken orientierenden Injektionen zu meist den gleichen therapeutischen guten bzw.weniger guten Ergebnissen. Aus meiner schmerztherapeutischen Tätigkeit muß ich sagen, dass diese Methoden vielfach ohne die eigentlich prä- wie postinterventionellen neurologischen Untersuchungen zur Wirkungskontrolle erfolgen.
Die Darstellung, dass der Schmerztherapeut nur "Weiterüberweiser" ist entspricht also nicht den Tatsachen, denn ich bin nach Qualitätssicherungsvereinbarung zu einer Indikationsbegründung und auch zu einer Erfolgskontrolle verpflichtet.
Also nicht so hektisch mit den jungen Pferden !
Sicher bringt es die Finanzkalkulation einiger Einrichtungen durcheinander, denn mit diesen in vielen Fällen nicht indizierten Eingriffen konnte man schnell seine Erträge steigern.
Das eigentliche Problem ist doch, dass Schmerztherapie besonders für chronisch schmerzkranke Patienten in Deutschland nach wie vor eine Außenseiterrolle spielt. Wie kann es sonst sein dass sowohl Hausärzte als auch Orthopäden vielfach den Unterschied zwischen akutem Schmerz und chronischem Schmerz als auch Nozizeptor- und neuropatischen Schmerz nicht kennen oder übersehen.
Ich persönlich finde es sehr bedenklich, das zumindest meine Patienten eine Schmerzanamnesezeit von durchschnittlich 8-12 Jahren haben, eh sie mal einem Schmerztherapeuten vorgestellt werden.
Vielleicht ist die o.g. Maßnahme ein Denkanstoß im Sinne der Patienten !
M.f.G. B.Bauer, Praxis für spezielle Schmerztherapie,Akupuktur und Suchtmedizin

Dr. Thomas Georg Schätzler 10.04.201309:16 Uhr

Medizin als Lehre von der Widerstandskraft des Menschen?

Ist der G-BA bei der CT-gesteuerten Schmerztherapie jetzt völlig „gaga“ Die Medizin-bildungsfernen Schichten des G-BA erhöhten ab 1. April die Hürden für GKV-Patienten, die auf der Suche nach Schmerzlinderung sind.

Bei der schmerztherapeutischen Versorgung gibt es in Deutschland noch einiges zu verbessern. Die CT- oder MRT-gesteuerte peri-radikuläre Therapie (PRT) ist nur e i n e von vielen schmerztherapeutischen Optionen, insbesondere bei zervikalen und lumbalen Bandscheibenvorfällen, Wurzelreizungen und schmerzhaften Bewegungseinschränkungen bzw. drohender Invalidität.

In der Hand von qualifizierten interventionellen Radiologen und radiologisch versierten Orthopäden ist diese Methode eine gute Alternative zum schmerztherapeutischen Stufenschema der WHO. Denn rein medikamentöse Behandlungen bis zu BtM-pflichtiger Dauermedikation bleiben oft unbefriedigend, weil die Betroffenen dann nicht mehr gut für aktivierende Übungen und flankierende physiotherapeutische Maßnahmen zu motivieren sind.

Doch was machen Medizin-bildungsferne Schichten des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (G-BA)? In beispielloser illusionärer Verkennung der schmerztherapeutischen Versorgungssituation in Deutschland bauen sie sinnlose, bürokratische Hürden auf, um ab 1. 4. 2013 rat- und hilfesuchenden GKV-Patienten den Zugang zu lindernden und helfenden Maßnahmen zu erschweren. Ein in sozialen Brennpunkten, städtischen Randbereichen, kleinen Gemeinden und Dörfern auf dem Land gar nicht flächendeckend vorhandener Schmerztherapeut soll mehrfach zwischengeschaltet werden. Und das, weil vom G-BA hausärztliche Allgemeinmediziner, Internisten und versorgenden Orthopäden ohne CT offenkundig für zu „dämlich“ gehalten werden, Grad und Schwere blockierender Wirbelsäulenerkrankungen differenzialdiagnostisch erkennen oder gar einer differenzierten Therapie zuführen zu können, o h n e sich mit einem „virtuellen“ Schmerztherapeuten vorher zu beraten und Schmerzpatienten u. U. weite Strecken hin und her zu schicken.

Ist für den G-BA die Humanmedizin nur noch die Lehre von der Widerstandskraft des Menschen?
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
Vgl. http://www.springermedizin.de/g-ba-zur-ct-gesteuerten-schmerztherapie--jetzt-voellig-gaga/4234324.html

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025