Dialogrunde Brustkrebs

"Die Patientinnen wollen kämpfen!"

Was ist das Ziel einer Therapie bei metastasiertem Brustkrebs? Welche Herausforderungen warten auf die behandelnden Ärzte? Die Dialogrunde Brustkrebs hat viele Fragen diskutiert.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:

Jede achte bis zehnte Frau erkrankt in Deutschland im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. "Die Inzidenz ist zurzeit steigend, aber das liegt wahrscheinlich auch daran, dass wir durch das Screening mehr Tumoren entdecken", sagt Professor Dr. Nadia Harbeck, Leiterin des Brustzentrums und der Onkologischen Tagesklinik der Frauenklinik der Universität München.

Laut Robert Koch-Institut ist Brustkrebs derzeit mit rund 75.000 Neuerkrankungen pro Jahr der mit Abstand häufigste Tumor der Frau. Er ist mehr als doppelt so häufig wie Darmkrebs.

Mittlerweile können viele Patientinnen mit frühem Brustkrebs geheilt werden. Bei jeder Dritten kommt der Tumor aber irgendwann wieder, teils rasch, teils erst nach vielen Jahren.

Fernmetastasen bei Brustkrebs finden sich am häufigsten in den Knochen, in der Lunge, in der Leber und im Gehirn, erläutert Harbeck. Ziel einer Therapie sei neben der Lebensverlängerung vor allem die Linderung tumorbedingter Beschwerden und der langfristige Erhalt der Lebensqualität. Dies zu erreichen sei mit neuen Krebsmedikamenten zunehmend möglich, so Harbeck.

Um welchen Tumor handelt es sich?

Herausforderungen der Therapie

» Lebensqualität muss langfristig erhalten werden.

» Neue Krebsmedikamente bieten viele therapeutische Optionen.

» Tumorbedingte Beschwerden sollen gelindert werden.

"Die Patientinnen wollen kämpfen, sie wollen leben, und sie wollen, dass der Tumor nicht fortschreitet", weiß die Onkologin. Bereits eine Verlängerung des Lebens oder der Zeit ohne Fortschreiten der Erkrankung sei ein wesentliches Gut, auch dann, wenn das Leben dadurch insgesamt nicht verlängert werden sollte.

Bei der Behandlung gelte es, viele Faktoren zu berücksichtigen, erläutert Professor Wolfgang Janni, Chef der Universitäts-Frauenklinik Ulm. Um was für einen Tumor handelt es sich? Welche Vor-Therapien hat es bei der Patientin gegeben? Welche Medikamente muss sie aktuell einnehmen? Gibt es Begleiterkrankungen? Auch Janni stellt klar: Ein Schlüssel bei der Versorgung ist Empathie. "Es geht darum, die Menschen mit all den Ängsten, die diese Erkrankung mit sich bringen kann, zu sehen und zu behandeln", sagt er.

Konkret sei stets zu berücksichtigen, in welchem sozialen Umfeld sich die Patientin befindet. Was will sie, was ist ihr wichtig? Ist es die maximale Effektivität der Therapie, oder geht es ihr primär um Lebensqualität?

"Diese Bedürfnisse auszubalancieren, ist für uns Ärzte eine sehr anspruchsvolle Aufgabe", erläutert Janni. Zugleich macht er deutlich, dass ökonomische Zwänge bei der Versorgung zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Das Fortschreiten der Krankheit zu verhindern und das Leben der betroffenen Frauen bei möglichst guter Lebensqualität zu verlängern – das sei Ziel der Therapie, sagt Professor Christian Jackisch, Chefarzt des Sana-Klinikums Offenbach Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe: "Wir können die Erkrankung heute mitunter über viele Jahre kontrollieren."

Tumor findet immer einen Ausweg

Der Tumor habe auf alle Tricks der Therapie einen Ausweg, weiß Jackisch aus Erfahrung. "Die Natur ist so unendlich erfinderisch, dass wir nur Bruchteile davon erkennen." Die Konsequenz: Es werden immer wieder neue Medikamente benötigt.

Jackisch hält es für wichtig, eine breite und fundierte Wissensbasis innerhalb der Ärzteschaft zum Thema Brustkrebs sicherzustellen.

Für die Zukunft gilt es aus seiner Sicht, mit interdisziplinären Teams realistische Ziele einer auf den Tumor und individuelle Bedürfnisse abgestimmten Therapie zu setzen. Dabei will er mehr niedergelassene Ärzte ins Boot holen.

Und er will bei der Vermittlung von Hoffnung bei seinen Patientinnen immer ehrlich bleiben: "Nichts ist schlimmer, als einfach nur Optimismus zu versprühen!"

Vier Statements aus der Dialogrunde

Es gibt selten Heilung, aber gute Therapien

Renate Haidinger

Renate Haidinger ist Erste Vorsitzende des Vereins Brustkrebs Deutschland e.V.

Renate Haidinger ist Erste Vorsitzende des Vereins Brustkrebs Deutschland e.V.

© privat

Metastasierter Brustkrebs und die besonderen Bedürfnisse der betroffenen Frauen sind in der Öffentlichkeit kaum bekannt, sie fühlen sich mit ihren Sorgen und Nöten allein gelassen.

Die Patientinnen sind in vieler Hinsicht überfordert. Die Angst zu sterben wird nach der Diagnose täglicher Begleiter. Zugleich steigt die Angst vor Schmerzen, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können oder die Kinder nicht mehr aufwachsen zu sehen.

Betroffene Frauen wünschen sich eine lang wirkende Therapie bei geringen Nebenwirkungen, mit der Rückfälle möglichst lange vermieden werden.

Dass es für sie im Normalfall keine Heilung gibt, heißt aber nicht, dass es keine Therapien geben würde. Im Gegenteil: Seit einigen Jahren sind neue, teils sehr zielgerichtete Wirkansätze gegen metastasierten Brustkrebs verfügbar, Neuerungen und Fortschritte sind zu erwarten. Diese Medikamente können das Leben – abhängig vom molekularen Subtyp der Erkrankung – nicht nur verlängern, sie können es auch verbessern, weil sie schonender sind als die klassische Chemotherapie.

Die öffentliche Wahrnehmung von Brustkrebs hat sich in den letzten Jahren verändert. Viele nicht metastasierte Frauen überleben die Erkrankung.

Das führt dazu, dass eine Metastasierung verharmlost wahrgenommen wird und betroffene Patientinnen meist auf völliges Unverständnis stoßen.

Die eigene Würde bewahren – das muss das Ziel sein

Eva Schumacher-Wulf

Eva Schumacher-Wulf, Chef- redakteurin des BrustkrebsMagazins „Mamma Mia“

Eva Schumacher-Wulf, Chef- redakteurin des BrustkrebsMagazins „Mamma Mia“

© Alex Kraus

Wir stellen immer wieder fest, dass ein sehr großer Wunsch der Frauen mit metastasiertem Brustkrebs der Austausch mit Betroffenen ist, die sich exakt in der gleichen Lebenssituation befinden. Hier soziale Netze zu knüpfen ist allerdings extrem schwierig. Da müssen Frauen, bei denen der Krebs in einem frühen Stadium festgestellt wurde, deutlich geringere Hürden überwinden.

Selbsthilfegruppen gibt es in fast jeder Stadt. Allzu oft – das ist bedauerlich und menschlich zugleich – wird der Kontakt mit Frauen, bei denen bereits Metastasen festgestellt wurden, bewusst vermieden. Zu groß ist die Angst der Patientinnen im frühen Brustkrebs-Stadium, sich mit Lebenssituationen zu beschäftigen, die sie vielleicht in Zukunft selbst bewältigen müssen.

Die vielen Belastungen können für die Frauen sehr schnell zu einer Überforderung führen. Die Verunsicherung überträgt sich dann leicht auf Partner, Kinder und Verwandte. Und für Alleinerziehende oder Frauen, die dieses soziale Umfeld gar nicht haben, wird die Situation noch komplizierter.

Die Herausforderungen sind groß: Es geht den betroffenen Patientinnen darum, die eigene Würde behalten zu dürfen, mit all ihren negativen und positiven Gefühlen ernst genommen zu werden. Die Ohnmacht aushalten und nicht wegreden, das erfordert Kraft und Mut zugleich. Es kann gelingen, wenn sich Menschen aus dem sozialen Umfeld der betroffenen Frauen solidarisch in die Pflicht nehmen.

Nichts geht ohne medizinischen Fortschritt

Carl Janssen

Carl Janssen, Leiter Pfizer Oncology Deutschland.

Carl Janssen, Leiter Pfizer Oncology Deutschland.

© Pilick


Deshalb arbeiten wir mit Patientenvertretern, medizinischen Experten und Medien an digitalen Lösungen, um den Erkrankten und ihren Angehörigen gut verständliche Informationen und Serviceangebote an die Hand zu geben.


Eine zunehmende Herausforderung ist es allerdings, zusammen mit den Akteuren im Gesundheitswesen ein innovationsfreundliches Umfeld zu gewährleisten. Vor einem neuen Medikament stehen lange Jahre an präklinischer Entwicklung und klinischer Studien.

Hier sind wir – Hersteller, Politik und Krankenkassen – gemeinsam gefordert, den Wert von medizinischen Fortschritten angemessen abzubilden. Nur so können wir den Patientinnen in Deutschland eine bestmögliche Versorgung gemäß nationaler und internationaler Leitlinienempfehlungen ermöglichen.

Wir helfen Frauen, die Solidarität benötigen!

Wolfgang van den Bergh

Wolfgang van den Bergh, Chefredakteur der „Ärzte Zeitung“, Verlagsgruppe Springer Medizin.

Wolfgang van den Bergh, Chefredakteur der „Ärzte Zeitung“, Verlagsgruppe Springer Medizin.

© Illian

Es gibt Menschen in unserem Gesundheitssystem, deren Probleme verdrängt, übersehen oder bewusst nicht zum Thema gemacht werden. Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs leiden besonders stark unter dieser Benachteiligung. Sie fühlen sich in ihrer schwierigen Lebenssituation allzu oft von der Öffentlichkeit ignoriert.

Die "Ärzte Zeitung" und Springer Medizin haben sich deshalb ganz bewusst entschieden, das Projekt "Wenn Brustkrebs fortschreitet", zu unterstützen. Wir sehen dabei einen doppelten Ansatz.

Zum einen geht es darum, in der Öffentlichkeit eine größere Sensibilität für das Thema zu wecken, wobei sich unsere Ansprache nicht nur an Hausärzte und Gynäkologen, sondern auch an Onkologen, Hämatologen und weitere Schwerpunkt-Internisten richtet.

Wir wollen auch die Chance nutzen, ganz gezielt medizinische Laien für dieses verdrängte Thema zu sensibilisieren.

Der fortgeschrittene Brustkrebs regt an zur Auseinandersetzung mit Ängsten von Betroffenen und ihren Angehörigen, mit Gefühlen von Mut, Zweifel, Verdrängung und Tabuisierung. Die Beschäftigung mit Emotionen allein wird der Wirklichkeit aber nicht gerecht.

Wir müssen deshalb die gesamte Lebenssituation dieser Frauen in den Fokus rücken. Und das bedeutet: Es geht auch um den medizinischen Fortschritt und um wachsende therapeutische Chancen für die Zukunft.

Eine Initiative von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V. in Kooperation mit „Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin“ und „Ärzte Zeitung“.

Lesen Sie dazu auch: Metastasierter Brustkrebs: Was zu tun ist

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